Lange bevor wir für drei Monate nach Neuseeland aufgebrochen sind, war für uns klar, dass wir das Land auch vom Wasser aus erkunden wollen. Aotearoa, wie Neuseeland in der Sprache der Maori heißt, bietet hierfür wunderschöne Optionen jeder Art – auf Seen, Flüssen oder dem Meer. Die Aussicht darauf, Seelöwen und Pinguine aus nächster Nähe vom Kajak aus beobachten zu können, ließ die Entscheidung schnell auf den Abel Tasman Nationalpark im Norden der Südinsel fallen. Die Besonderheit dieser Region ist, dass man dort den Wassersport perfekt mit einer Wanderung auf dem Abel Tasman Coast Track kombinieren kann.
Als Ausgangsbasis für unsere Erkundung des Abel Tasman Nationalparks wählen wir Marahau am südlichen Eingang des Parks. Wir beziehen mit unserem Camper einen Tag vor der geplanten Tour Stellung auf dem Campingplatz in Marahau. Nach einer umfangreichen Beratung in der Marahau Sea Kayaks-Basisstation entscheiden wir uns für eine Kombination aus Kajak-Tour und Wanderung. Diese ganztägige Tour mit dem spannenden Namen „Gourmet Platter“ ist mit umgerechnet rund 110 Euro pro Person nicht günstig, aber, wie wir rückblickend sagen können, jeden einzelnen Cent wert. Wir bringen keine große Erfahrung in der Kajak-Materie mit – um ehrlich zu sein sogar gar keine. Entsprechend steigt zumindest meine Nervosität, als es am nächsten Morgen endlich losgeht. Aber meine Sorgen werden sich im Laufe des Tages als vollkommen unbegründet erweisen.
Mit dem Kajak durch den Abel Tasman Nationalpark
Um acht Uhr startet unser Abenteuer bei herrlichem Sonnenschein in der Wassersport-Basisstation direkt gegenüber von unserem Campingplatz. Hier erhalten wir zunächst eine Einführung ins Kajakfahren durch unseren Tour-Guide Tom. Nach einer kurzen Trockenübung in Sachen Paddeltechniken geht es endlich richtig los. Mit einem Minivan werden wir an ein kleines Flüsschen gebracht, an dem unsere Doppel-Kajaks auf uns warten. Beim Einsteigen in das Sportgerät geht es noch etwas holprig zur Sache. Erst steige ich vorne ein und dann mein Mann hinter mir, der gleichzeitig die wichtige Aufgabe erfüllen muss, uns vom Ufer abzustoßen. Jetzt noch die schicken Spritzschutz-Röckchen am Kajak befestigen und los geht’s.
In den ersten Minuten sind wir hochkonzentriert damit beschäftigt, einen aufeinander abgestimmten, sinnvollen Paddel-Rhythmus zu finden, der uns geradeaus und nicht im Kreis fahren lässt. Dann steht nur noch der Spaßfaktor im Vordergrund. Wir sind nur zu acht in unserer Gruppe, so dass Tom keine Schwierigkeiten hat, seine Paddler-Herde zusammenzuhalten. Alle löchern ihn mit Fragen und er beantwortet jede einzelne fröhlich mit der typischen Kiwi-Gelassenheit.
Von einer wunderschönen Bucht in die nächste
Der Fluss führt uns nach kurzer Zeit hinaus auf das offene Meer. Wir paddeln immer an der Küste entlang und genießen die wunderbar frische Luft und das herrliche Sommerwetter. Wie bestellt, tauchen plötzlich Kormorane vor uns auf und begutachten uns genauso interessiert wie wir sie. Tom führt uns in eine kleine Höhle, die früher als Zufluchtstätte der Maori gedient hat. Der Eingang ist so eng, dass immer nur ein Kajak hineinfahren kann und dann rückwärts wieder rausmanövriert werden muss. Etwas weiter die Küste hinauf paddeln wir durch einen kleinen Canyon. Die Felswände liegen so eng aneinander, dass wir die Paddel aufs Boot legen und uns mit den Händen hindurch schieben müssen. So führt uns unsere Route im Abel Tasman Nationalpark von einer wunderschönen Bucht in die nächste. Bei diesem traumhaften Wetter und den weißen Sandstränden kommt echtes Karibik-Feeling auf. Irgendwann erspäht Adlerauge Tom in der Ferne einen kleinen Pinguin, der sich verträumt an der Wasseroberfläche treiben lässt. Wir können uns vorsichtig nähern, bis es dem Pinguin zu viel wird und er unter Wasser flüchtet. Kurze Zeit später tauchen auf einmal Seelöwen vor uns auf. Unsere Anwesenheit scheint sie nicht zu stören. Sie toben wild durchs Wasser und bieten uns zahlreiche tolle Fotomotive.
Nach knapp drei Stunden erreichen wir die Watering Cove und damit das Ende des Kajak-Teils der Tour. Tom baut uns an einem schattigen Plätzchen auf dem Strand ein Picknick auf: Kiwis und Orangen aus seinem eigenen Garten, Sandwiches und Saft stehen auf dem Speiseplan. Kauend bestaunen wir die bildschöne Umgebung: goldener Sand, Felsen, die ins Meer ragen, und dichter, grüner Urwald bis direkt ans Ufer – das Paradies auf Erden!
Nach dieser malerischen Mittagspause werden wir von einem Wassertaxi eingesammelt und zum nächsten Etappenziel, der idyllischen Bark Bay, gebracht. Die rund 20-minütige Fahrt macht riesigen Spaß. Denn hinter der langweiligen Bezeichnung Wassertaxi verbirgt sich ein üppig motorisiertes Schnellboot, mit welchem wir in sportlicher Geschwindigkeit über die Wellen brettern. Von den rund 20 Sitzplätzen an Bord sind nur die in den ersten beiden Reihen überdacht. Entsprechend hektisch werden Foto- und Video-Kameras an wildfremde Menschen in der „Trockenzone“ weitergereicht, als von links und rechts das hochspritzende Wasser ins Boot klatscht. Der Skipper kommentiert dies nur lachend mit einem „It’s all part of the adventure“. Wie wahr!
Abel Tasman Coast Track – Das Abenteuer geht zu Fuß weiter
Nach einer kurzen Genießer-Pause am Strand der Bark Bay schnüren wir unsere Wanderstiefel. Ab jetzt geht es zu Fuß weiter über den Abel Tasman Coast Track. Wer sich schon immer wie Indiana Jones (nur ohne Machete) fühlen wollte, der ist hier absolut richtig! Der Track windet sich durch dichten Urwald und ist mitunter so wild und ursprünglich zugewachsen, als würde man wirklich durch absolut unberührte Natur wandern. An manchen Stellen lässt nur ein schmaler Trampelpfad erkennen, wo es weitergeht. Die Überquerung einer engen und wackeligen Hängebrücke unterstreicht den Abenteuercharakter.
Wir treffen unterwegs keine Menschenseele, was das absolut herrliche Empfinden, mittendrin zu sein in der Natur, noch weiter verstärkt. Der dichte Wald gibt immer wieder den Blick auf das Meer frei, das sich hier in allen nur erdenklichen Grün- und Blautönen von seiner ansehnlichsten Seite präsentiert. Wir kommen vorbei an einigen kleinen, bildschönen Buchten, die als Postkarten-Motive für die Südsee dienen könnten. Ein wenig bedauern wir es schon, dass wir uns aufgrund des vorgegebenen Tageszeitplans nicht einfach zum Baden und Sonne tanken an einen der traumhaften Strände legen können. Nichtsdestotrotz erleben wir knapp drei fantastische Stunden auf dem Abel Tasman Track, in denen wir das Abenteurer-Feeling voll genießen können.
In der Torrent Bay sammelt uns das Wassertaxi wieder ein und bringt uns in einer nochmals äußerst rasanten Fahrt zurück nach Marahau. Selbst dieser Rücktransport sorgt für beste Laune. In Marahau angekommen wird unser Taxi von einem Traktor aus dem Wasser gezogen und kurzerhand – inklusive uns – auf einen Bootsanhänger verfrachtet. So tuckern wir die letzten Meter oben auf dem Boot sitzend über die Straße. Unweigerlich kommt uns die deutsche Polizei in den Sinn, die bei diesem Anblick sicher in Schnappatmung verfallen würde. Ein großartiger Ausklang für eine fantastische und absolut empfehlenswerte Tour!
Fakten zum Abel Tasman Coast Track und den Kajak-Touren im Abel Tasman Nationalpark
- Abel Tasman Coast Track: Der Track zählt zu Neuseelands Great Walks und damit zu den landschaftlich besonders reizvollen Wanderwegen. Er kann in beide Richtungen begangen werden. Wer die knapp 55 Kilometer komplett erwandern möchte, sollte hierfür mindestens drei Tage einplanen. Übernachtungsmöglichkeiten in Hütten oder auf Zeltplätzen sind unterwegs vorhanden. Für mehrtägige Wanderungen ist eine Vorreservierung erforderlich.
- Schwierigkeitsgrad: Der Abel Tasman Coast Track ist gut zu begehen und stellt keine besonderen Anforderungen an die Kondition. Die auf dem Weg liegenden Flüsse sind über Brücken zu überqueren. Es gibt jedoch Stellen, die ausschließlich bei Ebbe passiert werden können, so dass eine entsprechende Zeitplanung unter Berücksichtigung der Gezeiten erforderlich ist.
- Kosten: Tageswanderungen auf dem Abel Tasman Track sind kostenlos. Für Übernachtungen in den Hütten oder auf den Campingplätzen fallen Gebühren pro Erwachsenem und Nacht zwischen umgerechnet rund zehn bis 23 Euro an.
- Buchung: Kajak-Touren können online über die Webseiten der verschiedenen Anbieter (zum Beispiel Marahau Sea Kayaks) oder vor Ort in den Touristeninformationen (iSites) der Region gebucht werden. Dies empfiehlt sich in der Hauptsaison (Dezember bis Ende Februar). Die Übernachtungsmöglichkeiten auf dem Abel Tasman Coast Track können über die Webseite des Department of Conservation (DOC) gebucht werden.
- Ausgangsbasis: Marahau am südlichen oder Wainui am nördlichen Eingang des Abel Tasman Nationalparks.
- Tipp: Alles Wissenswerte rund um den Abel Tasman Nationalpark ist in der kostenlosen App „Abel Tasman Visitor“ zu finden.