Die Benediktenwand ist einer dieser Berge, denen sich Bergsteiger – zumindest so lange sie in München und Umgebung wohnen oder im Bayerischen Oberland beheimatet sind – nur schwer entziehen können. Das hat gleich mehrere Gründe:
1. Die schiere Größe des Berges
Mit rund zwei Kilometern Wandbreite fällt die Benediktenwand sofort ins Auge. Wie ein gewaltiger Riegel schiebt sich der 1.801 Meter hohe Berg ins voralpine Blickfeld und lässt seine kleineren Vasallen – im Westen der Rabenkopf, im Osten die Achselköpfe, im Norden die bewaldeten Berge rund um den 1.343 Meter hohen Zwiesel – klein aussehen. Allerdings erschließen sich die Dimensionen des Kalkbergs nicht auf den ersten Blick. Ihr Gipfel ist rund sieben Kilometer Luftlinie von Benediktbeuern entfernt und rückt damit etwas in den Hintergrund. Erst wenn man neben dem gewaltigen Gipfelkreuz steht, wird man sich über die Ausmaße des gigantischen Kalkblocks, aus dem man gleich mehrere Berge meißeln könnte, bewusst.
Arnold Zimprich
2. Die Wand
Die Benediktenwand führt nicht umsonst das Wörtchen „Wand“ im Namen. Wie nur wenig andere Voralpenberge zieht ihre kalkweiße Nordwand, durch die unzählige Routen der Schwierigkeitsgrade UIAA III bis VIII führen, die Blicke auf sich. Egal ob man nun von Westen – zum Beipspiel von der A95 – auf Benediktbeuern zufährt oder von Osten, wenn man von der A8 über Holzkirchen Richtung Isarwinkel reist. Ist der oberbayerische Himmel wolkenlos, erstrahlt die „Benewand“, wie die Einheimischen liebevoll sagen, speziell zu den Tagesrandzeiten in einem magischen Licht. Blickt man an einem späten Herbstnachmittag aus dem Loisachmoor bei Benediktbeuern auf die rötlich angestrahlten Felsen, will man unbedingt selbst mal hinauf auf diesen faszinierenden Berg.
3. Die Aufstiegsmöglichkeiten
Der dritte und für das Verfassen dieses Artikels wichtigste Grund sind die vielen Aufstiegsmöglichkeiten, die die Benediktenwand Wanderern und Bergsteigern bietet. Man kann die Benediktenwand sprichwörtlich aus allen vier Himmelsrichtungen besteigen: von Nordwesten aus Benediktbeuern, aus Osten von Lenggries über Brauneck und Achselköpfe, von Süden aus der Jachenau und – meist im Rahmen einer Überschreitung – von Westen von Kochel oder gar Ohlstadt.
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Der „Normalweg“: Von Benediktbeuern-Gschwendt über das Lainbachtal und die Tutzinger Hütte
Dieser Weg fehlt wohl in keinem der sich im Umlauf befindlichen Voralpenführer, Wander- und Tourenbücher, Fotobände und anderen Publikationen. Nicht umsonst: Wer einmal an einem Frühsommermorgen den Windungen des Lainbachs durch das gleichnamige Tal (das selbst schon einen Besuch wert ist), gefolgt ist, wird fasziniert sein von der Vielzahl der Eindrücke. Vom sich – im Falle eines am Vortag niedergegangen Gewitters – aus dem Ufergesträuch erhebenden Dunst, von Wasserfällen und kleinen plätschernden Bachläufen, den Hangrutschungen, Aufschlüssen und weiteren geologischen Phänomenen, die das Lainbachtal schon seit langen Jahren zu einem Exkursionsziel für Studenten und Wissenschaftler macht.
Hat man die Söldneralm erreicht, wird es bald steil – der Talweg wird zum Karrenweg und zieht recht unbarmherzig hinauf zum erneut breiten Fahrweg Richtung Eibelsfleckalm bzw. Tutzinger Hütte, dem man nun folgt. Einige Kehren lassen sich über einen deutlich ausgeprägten Steig durch den Wald abkürzen, ohne dass man aufgrund der bei rücksichtsvollen Bergsteigern dauerpräsenten Regel „Abkürzer zerstören die Umwelt“ ein allzu schlechtes Gewissen haben müsste.
Auf rund 1.125 Metern Seehöhe erreicht man schließlich den im flachen Winkel abzweigenden Pfad, der sehr abwechslungsreich durch ein schluchtartiges, steiles Tälchen gut 300 Höhenmeter in vielen Kehren hinauf zur Tutzinger Hütte führt – der Aufstieg nimmt ab dem Wanderparkplatz am Lainbach etwa zwei bis zweieinhalb Stunden in Anspruch. Seit 2018 hat die Hütte eine neue, junge Bewirtungs-Crew, die mit viel Elan und Offenheit an ihre Aufgabe herangeht. Es lohnt sich in jedem Fall, eine Übernachtung einzuplanen.
Links oder rechts?
Etwa zweihundert Geh-Meter nach der Hütte stellt sich die Frage – darf’s ein bisserl Klettersteig oder will man schneller auf dem Gipfel sein? Die Klettersteig-Fraktion wählt den Ostanstieg. Er führt zunächst auf einen kleinen Sattel, ehe der Kessel, in dem einst die Obere Hausstattalm stand, mit leichtem Höhenverlust gequert wird. Ein Steilanstieg leitet schließlich zum Rotöhrsattel (1.667 Meter), von wo aus man über einen seilversicherten Anstieg die Westschulter des Benediktenwand-Gipfelplateaus erreicht. Die Schwierigkeit des „Klettersteigs“ hält sich in Grenzen, Klettersteigausrüstung ist nur bei absoluten Anfängern zu empfehlen. Trittsichere Berggeher werden die Seilversicherungen kaum benötigen. In stetigem Auf und Ab und mal mehr, mal weniger weit von den Nordabbrüchen entfernt erreicht man schließlich in etwa eineinhalb Gehstunden nach Verlassen der Hütte den Gipfel.
Der etwas schnellere Westanstieg führt gänzlich ohne Felskontakt zum Gipfel der Benediktenwand. Bei beiden Anstiegen gilt: Fotoapparat bereithalten, die Benediktenwand beherbergt eine beeindruckend große Steinbock-Kolonie!
Alternative: Von der Jachenau über die Scharnitzalm oder über den Glaswandsattel
Der Anstieg mit dem abgeschiedensten Ausgangspunkt beginnt in der Jachenau, genauer gesagt auf dem Wanderparkplatz zwischen den Jachenauer Weilern Tannern und Petern (auf der Karte des Vermessungsamts befindet sich hier der Punkt 728 Meter). Wie beim Lainbachtal kann man auch hier nur zu Beginn durchschnaufen – denn bald zieht der gut ausgeschilderte Fahrweg mitunter recht steil hinauf zum Langenecksattel (1.165 Meter).
Der Fahrweg hat schon so manchem ehrlichen Mountainbiker die Zähne gezogen – Motor-Mountainbiker lächeln nur müde und drehen die elektrische Unterstützung ihres Vehikels ein wenig nach oben. Ist man oben am Sattel angekommen, treten die vergleichsweise lieblichen Jachenau-Berge in den Hintergrund und die mitunter recht schroffe Südseite der Benediktenwand ins Blickfeld.
Eine weite Querung leitet hinüber zum Almgelände direkt südlich der Benediktenwand, an der Bichler Alm auf 1.437 Metern hat man das Ende des Fahrwegs erreicht. Von Juni bis Oktober ist die Alm bewirtschaftet – es lohnt sich, einen Besuch einzuplanen, denn wie viele Almen zwischen Brauneck und Jochberg bietet auch die Bichler Alm eine beeindruckende Aussicht auf die schroffen Felsberge des Karwendels. Hat man sich ausreichend gestärkt, führt ein steiler, felsiger Pfad durch die Südflanke empor zum schon von weitem sichtbaren Gipfelhäuschen und zum aussichtsreichen Gipfel.
Arnold Zimprich
Am Wasserfall vorbei
Alternativ kann auch vom Wanderparkplatz in Jachenau-Ort gestartet und an der Großen Laine und über den Glaswandsattel aufgestiegen werden. Speziell im Herbst ist eine Tour durch das wildromantische Tal beeindruckend, der Gumpenreichtum und der große Wasserfall oberhalb der Laintalalm sind gleichermaßen beeindruckend.
Für Konditionsstarke: Von Lenggries über das Brauneck und die Achselköpfe
Wer die Benediktenwand schon mehrmals von Benediktbeuern und der Jachenau bestiegen hat, wird sich vielleicht nach einer weiteren Aufstiegsmöglichkeit sehnen. Wer noch dazu viel Zeit und Kondition mitbringt, kann dem Voralpenberg auch von Lenggries aus zu Leibe rücken. Je nach Zeitvorrat fährt man dazu mit der Bahn auf den Gipfel des Braunecks – eifrige Höhenmetersammler steigen zu Fuß hinauf.
Anschließend geht es auf aussichtsreichem Weg und stets gut ausgeschildert am felsigen Schrödelstein vorbei und über das Stangeneck hinüber zum Latschenkopf. Wer Extragipfel einsammeln will, kann unterwegs einen Abstecher auf den kecken Kirchstein machen. Ein wunderbarer Panoramaweg über mehrere voralpine Parade-Aussichtsberge!
Arnold Zimprich
Im Probstalmsattel vor den Achselköpfen stellt sich die Frage: Mut oder Höhenmeter? Mutige nehmen die mit Drahtseilen versicherten Achselköpfe mit. Doch Achtung: Trittsicherheit ist hier unbedingt notwendig – es hat schon böse Unfälle gegeben! Allen anderen sei dringend angeraten, auf dem Weitwanderweg E4 (auch: „Maximiliansweg„) zu bleiben, rund 170 Höhenmeter in den Probstalm-Kessel ab- und auf der anderen Seite wieder in den Rotöhrsattel (siehe oben) aufzusteigen. Die weitere Route verläuft wie oben beschrieben. Eine anschließende Übernachtung auf der Tutzinger Hütte eröffnet viele weitere Kombinationsmöglichkeiten.
Anmerkung: Mit den hier vorgestellten Anstiegen hat sich das „Anstiegsangebot“ dieses Universalgipfels bei Weitem noch nicht erschöpft. Wer sich eingehender mit der Benediktenwand beschäftigt, wird noch viele weitere Optionen und Überschreitungsmöglichkeiten herausfinden.
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Die Überschreitung der Benediktenwand
Die Tutzinger Hütte – und damit auch die Benediktenwand, wenn man über den Gipfel geht – ist Teil des oben erwähnten europäischen Weitwanderwegs E4. Das ist einer von vielen Gründen, warum die Benediktenwand gerne im Rahmen einer Überschreitung begangen wird. Die Möglichkeiten sind vielgestaltig. Sie alle auszuformulieren, würde den Rahmen dieses Artikels sprengen.
Daher sei an dieser Stelle nur eine Option angeführt – die Dreitagestour von Lenggries bis nach Ohlstadt. Man startet idealerweise am Bahnhof Lenggries, besteigt die Benediktenwand wie oben beschrieben und nächtigt auf der Tutzinger Hütte. Am darauffolgenden Tag steigt man kurz wieder Richtung Gipfel, geht dann aber zur Glaswandscharte hinab, passiert die Glaswand auf deren Südseite, besteigt den Jochberg und steigt zum Kesselberg ab. Ein erneuter Aufstieg führt zum Herzogstandhaus, wo man die zweite Nacht verbringt. Am dritten Tag besteigt man den Herzogstand, wandert auf wunderschönem, aussichtsreichem Gratrücken hinüber zum Heimgarten und steigt schließlich über den Bärenfleck nach Ohlstadt ab, wo man den Zug zurück nach München oder jeden anderen mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbaren Ort nehmen kann.
Arnold Zimprich
Arnold Zimprich
Fazit zur Besteigung der Benediktenwand
Es kann kein Zufall sein, dass die Benediktenwand ausgerechnet an der Stelle steht, an der sie steht: wie kaum ein anderer Berg im Großraum München bietet sie Bergsteigern aller Könnensstufen Wanderungen, Berg- und Klettertouren aller Schwierigkeitsgrade. Die Masse der Besucher hält sich an den beiden „Standardrouten“ von Benediktbeuern und aus der Jachenau auf, wer es etwas einsamer haben will, macht eine Überschreitung. Welche Route man auch immer wählt – man wird wiederkommen wollen auf die Benewand!
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