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Beton statt Fels oder Plastik

Buildering: Was ist das eigentlich?

5 Minuten Lesezeit
Wahrscheinlich ist jede und jeder von uns schon an einer Hauswand geklettert, ohne es Buildering zu nennen. Doch es gibt Kletterinnen und Kletterer, die das Kraxeln an Gebäudewänden als eigene Spielart des Klettersportes verstehen. Zu ihnen gehört auch Buchautor Tim Jacobs, mit dem sich Bergzeit Autorin Juliane übers Buildering unterhalten hat.

Seit Menschen klettern, suchen sie Herausforderungen an dafür geeigneten Wänden. Das muss nicht immer ein Fels sein, denn viele Gemäuer und Gebäude laden durch ihre Strukturen dazu ein, an ihnen hochzuklettern. Diese Art des Kletterns wird Buildering (vom Bouldering = Klettern in Absprunghöhe und Building = Gebäude) genannt. Oder manchmal auch “Urban Climbing”.

Buildering: Was ist das und wer macht das?

Das älteste dokumentierte Beispiel ist ein Buildering Guide aus dem Jahr 1895. Der Alpinist Geoffrey Winthrop hat während seiner Studienzeit in Cambridge das Uni-Gebäude beklettert. Die Routen hat er gesammelt und unter dem Titel “Wall And Roof Climbing (Climbing Cambridge)” herausgebracht. Der Franzose Alain Robert gilt als einer der großen Namen im Gebäudeklettern. Er hat einige Hundert Free Solo-Begehungen an besonders spektakulären Gebäuden wie am Empire State Building und dem Taipei 101 (Taiwan) gewagt. In Deutschland hat u.a. Udo Neumann das Interesse fürs Buildering geweckt. Der ehemaliger Trainer des deutschen Boulder-Nationalkaders hat sogar die erste Weltmeisterschaft im Buildering initiiert. Bekannte europäische Buildering-Szenen gibt es z.B. in Österreich und Italien.

Ob bouldern bei und an Industriebrachen...

Fabian Fischer

Ob bouldern bei und an Industriebrachen…


Ob bouldern bei und an Industriebrachen...

Fabian Fischer

oder Klettern an einer Hauswand: Buildering hat viele Facetten.


Interview mit Buildering-Experte Tim Jacobs

Wer nach Informationen übers Buildering sucht, kommt an Tim Jacobs nicht vorbei. Er hat mehrere Buildering Guides geschrieben und betreibt die Webseite buildering-spots.de. Im Bergzeit Interview sprach Autorin Juliane Fritz mit Tim über die deutsche Buildering-Szene und darüber, ob das Klettern an Gebäuden eigentlich erlaubt ist.

Tim Jacobs beim Buildering an einer Mauer

Tim Jacobs an der „Green Mile“ (Mainz)

Tim, was hat Deine Begeisterung fürs Buildering ausgelöst?

Ich habe vor 20 Jahren am Seil in der Halle angefangen. Während meines Studiums in Mainz haben mich Bekannte zum Buildering an einer Brücke mitgenommen. Ich fand es total faszinierend! Das spannende beim Klettern sind ja die unterschiedlichen Griffstrukturen und Techniken, die man braucht. Das lässt sich beim Buildering auf noch extremere Weise finden! Jedes Bauwerk ist anders. An Gebäuden findet man auf kleinstem Radius immer wieder andere Strukturen, anderes Gestein, vielleicht auch mal Stahl.

Hat das Buildering Vorteile gegenüber der Halle oder dem Fels?

Ich denke ja! Gegenüber der Halle hat es den Vorteil, dass es draußen ist und unabhängig von Öffnungszeiten. Das ist jetzt in der Coronazeit – leider – ein Vorteil, denn die Hallen haben nicht oder nur eingeschränkt geöffnet. Gegenüber dem Fels gibt es auch einen Vorteil. Wohnt man z.B. in Berlin, ist die nächste größere Felsformation das Elbsandsteingebirge. Da ist Buildering geografisch und zeitlich betrachtet naheliegend und schont den Geldbeutel.

Man kann auch den ökologischen Aspekt miteinbeziehen. Der Kletterer Michi Wohlleben hat mal zu mir gesagt: “Klettersport ist Motorsport”. Wenn man draußen klettern will, muss man sich oft ins Auto setzen, um irgendwo hinzufahren. Beim Buildering entfällt dieser Aspekt, weil man den Sport dort betreiben kann, wo man lebt.

Ist es denn in Deutschland erlaubt an Gebäuden zu klettern?

Die Frage ist differenziert zu beantworten. Wenn man aber fragt: “Ist es verboten?” – Dann ist die ganz klare Antwort: Nein! Ich habe mich dazu von mehreren Anwälten beraten lassen. Es gibt in Deutschland kein Gesetz, das das Klettern an Gebäuden und Bauwerken verbietet. Doch es gibt Regeln, die man beachten muss. Bei einem Privatgebäude braucht man die Genehmigung des Eigentümers. Denkmalgeschützte Bauwerke dürfen nicht beklettert werden.

Fürs Buildering kommen öffentliche bzw. öffentlich zugängliche Bauwerke in Frage. An Gewässern gibt es viele Uferbefestigungen und Promenaden. Die sind häufig mit Mauern befestigt, an denen man klettern kann. Andere Beispiele sind Stadtmauern, Brücken, Brückenpfeiler und Unterführungen.

Buildering ist eine tolle Möglichkeit, die Stadtentwicklung voranzutreiben.

Tim Jacobs, Autor mehrerer Buildering-Guides.

Es gibt auch offizielle Buildering Spots. Dahinter stecken Verbände wie der Deutsche Alpenverein, aber auch Privatleute. Es gibt z.B. in Hamburg Kletterwände an alten Bunkern. Das ist etwas anders als traditionelles Buildering, weil da Klettergriffe angebracht sind. Trotzdem bleibt es der Kern des Buildering, der bedeutet, an bestehenden Strukturen Bewegungsräume zu schaffen. Buildering ist eine tolle Möglichkeit, die Stadtentwicklung voranzutreiben.

Es gibt in Deutschland kein Gesetz, das das Klettern an Gebäuden und Bauwerken verbietet. Doch es gibt Regeln, die Du beachten solltest.

Fabian Fischer

Es gibt in Deutschland kein Gesetz, das das Klettern an Gebäuden und Bauwerken verbietet. Doch es gibt Regeln, die Du beachten solltest.


Nehmen wir an, ich habe eine passende Wand gefunden. Was muss ich noch beachten?

Wenn an einer alten Mauer die Steine schon beim Angucken rausbröckeln, ist das keine gute Idee da zu klettern. Man kann sich verletzen und zerstört das Bauwerk. Außerdem muss man auf seine Umgebung achten, besonders an belebten Orten. An einer Straße darf ich die Autofahrer nicht stören. An einer Wand mit Bürgersteig müssen die Passanten noch vorbeikommen können. Beim Buildering ist der Boden meist asphaltiert oder gepflastert. Es ist daher immer zu empfehlen, Crashpads zu nutzen und jemanden dabei zu haben, der einen spottet. Wenn es höher geht, sollte man sich mit dem Seil absichern.

Es ist wichtig, keine negative Aufmerksamkeit aufs Buildering zu ziehen. Ähnlich wie am Fels hat man das Gebäude so zu verlassen, wie man es vorgefunden hat. Man nimmt auch kein Chalk! Wenn man wenig Chalk benutzt, muss man es hinterher wegmachen.

Bist du schonmal in einen Konflikt geraten beim Buildering, weil es doch nicht erlaubt war?

Bis jetzt noch nie. Ich hatte ein paar Mal die Situation, dass die Polizei vorbeikam. Die haben sich das angeguckt und gesehen, dass wir Crashpads benutzen, abgesichert sind und die Fassade nicht verschmutzen. Dann fahren die einfach weiter, weil sie beurteilen können: „Ok, die machen da keine Alain Robert-Free Solo-Aktion.“

Hättest du einen Rat, was zu tun ist, wenn man doch in einen Konflikt gerät, obwohl man nicht illegal buildert?

Es ist wichtig, keinen Konflikt eskalieren zu lassen. Wenn die Polizei oder eine Einzelperson sagt: “Nein, hier heute nicht!”, sollte man sich fügen. Das Buildering lebt davon, dass man eine gewisse Grenze akzeptiert, damit wir weiterhin an Bauwerken klettern können.

Was war für dich bisher die interessanteste Route an einem Gebäude?

An der Kaiserbrücke in Mainz gibt es eine Route, die quer über den Rhein geht. Die ist extrem herausfordernd von der Kraftanstrengung her. Dazu kommt die mentale Komponente, weil man zwanzig, dreißig Meter überm Wasser hängt.

Spektakulär: Die Kaiserbrücke in Mainz führt über den Rhein. Wer sich hier entlanghangelt, hat 20 bis 30 Meter Luft und den Rhein unter den Füßen.

Tim Jacobs

Spektakulär: Die Kaiserbrücke in Mainz führt über den Rhein. Wer sich hier entlanghangelt, hat 20 bis 30 Meter Luft und den Rhein unter den Füßen.


Tims Geheimtipps: Die besten Buildering Spots in Deutschland

Verrätst Du uns noch Deine liebsten Buildering Spots in Deutschland?

Klar, gerne! Das sind…

  • Die Kaiserbrücke in Mainz
  • Die Hohenzollernbrücke in Köln
  • Die Hasenbergbrücke und Meenkwiese in Hamburg
  • Die Talsperre Malter in Paulsdorf bei Dresden
  • Die Ruhrorter Werft in Frankfurt
  • Die Corneliusbrücke in München

Lieber Tim, wir danken Dir fürs Gespräch!

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