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Ein hochbetagter Bergsteiger erzählt

Bergsport und Wandern im Alter: So bleibst Du fit!

6 Minuten Lesezeit
Henrich ist 101 Jahre alt. Seine letzten großen Touren führten ihn noch vor wenigen Jahren mit Ski oder Seil auf Dreitausender. Im Interview mit dem Bergzeit Magazin verrät der passionierte Bergsteiger, worauf es am Berg ankommt, wenn man älter wird.

Das Interview mit Henrich hat Bergzeit Redakteurin Franzi 2017 geführt. Zu dem Zeitpunkt war Henrich 97 Jahre alt.

Schön, wenn Großvater und Enkel noch gemeinsam auf Tour gehen können. Henrich (auf dem Bild 92 Jahre, rechts) gibt im Interview Tipps zu Fitness und Bergsport im Alter. | Foto: Franziska von Treuberg

Franziska von Treuberg

Schön, wenn Großvater und Enkel noch gemeinsam auf Tour gehen können. Henrich (auf dem Bild 92 Jahre, rechts) gibt im Interview Tipps zu Fitness und Bergsport im Alter. | Foto: Franziska von Treuberg


Die Berge begleiten ihn schon sein ganzes Leben. Mit seinen Kameraden ging er in die Ost- und die Westalpen, machte Hochtouren, Skitouren und Bergtouren – Hauptsache anspruchsvoll. Diese Leidenschaft für die Berge hat Henrich, Jahrgang 1919, bis ins hohe Alter begleitet: Noch vor wenigen Jahren hat er Sommer wie Winter rund 30 Touren unternommen. Im Interview erzählt der Wahl-Allgäuer, welche Einstellung ihm geholfen hat – dank guter Gesundheit – so lange fit zu bleiben, warum er nicht mehr auf jeden Berg muss und es trotz aller Vernunft manchmal noch schwer fällt, das zu akzeptieren.

Im hohen Alter noch am Berg – wie geht das?

Franziska von Treuberg: Henrich, hast Du ein Geheimrezept, wie man bis ins hohe Alter fit bleiben kann?

Henrich: Ich gehe drei mal die Woche für eine Stunde ins Fitnessstudio, an die Geräte. Das empfinde ich nicht als anstrengend, aber das hält schon ein bisschen aufrecht. Dann hilft natürlich viel Bewegung. Ich bin lange Zeit viel marschiert und habe mir die Länge der Touren aufgebaut. Das ist vor allem eine mentale Geschichte. Man kann im Alter sehr schnell nachlässig werden und sagen, „ach, das ist zu anstrengend“. Und wenn die Umgebung sagt, das darfst du nicht mehr machen, du bist zu alt, dadadadada – auf niemand hören! (lacht) Je mehr Jammerer man um sich rum hat, desto mehr wird man von diesen beeinflusst.

Wenn dir jemand sagt, du bist zu alt – auf niemanden hören!

Beim Skifahren sagten die Leute immer, ich solle nicht so schnell fahren und damit aufhören: „In dem Alter fährt man nicht mehr Ski.“ Oder: „Wenn man sich was bricht, dann heilt das nicht“. Das mag schon stimmen. Ich habe mir 2002 das linke Bein gebrochen. Damals haben sie gesagt: „Der fährt nie mehr Ski“ und ich hab gesagt „Ich fahre wieder Ski“. Es hängt eben davon ab, ob man Spaß an der Sache hat oder nicht.

Ist denn hier der Spaß allein ausschlaggebend?

Das Wichtigste ist Spaß an der Sache. Aber wenn es einen überanstrengt, dann hört der Spaß natürlich auf. Ehrgeiz ist beim Sport im Alter das Falsche. Man muss sehr stark auf den Körper hören, was er schafft. Wenn einem irgendein Gelenk wehtut, dann hört man nämlich sehr schnell auf. Wenn Knie- oder Hüftgelenke nicht mehr funktionieren, wenn jeder Schritt wehtut, dann sollte man es besser lassen.

Man muss Spaß haben, aber keinen falschen Ehrgeiz.

Ich hatte einen guten Freund, mit dem ich viel zum Skifahren und Wandern gegangen bin. Sobald wir aber irgendwo Rast gemacht haben, hat er seine Knie fortwährend eingesalbt, um seine Schmerzen zu verringern. Es hat ihn trotzdem angestrengt und er konnte den Sport nur unter diesen Bedingungen ausüben. Das ist wenig sinnvoll.

Sport im Alter: Noch fit genug für den Berg?

Woher weiß man, wenn man älter wird, was man sich am Berg noch zutrauen kann?

Normalerweise merkt man das am Gehen: Wieviel Luft habe ich zum Atmen? Werde ich kurzatmig oder macht mir jeder Schritt Schwierigkeiten, muss ich natürlich mit dem Bergsteigen aufhören. Das hat dann keinen Sinn mehr. Oder ich muss das Training entsprechend aufbauen. Man merkt das am ganzen Verhalten des Körpers, ob man noch Reserven drin hat oder nicht, wie schwer der Weg sein kann usw. Man kann ja auch kürzere Touren machen.

Ein älterer Wanderer rastet auf einem Fels

Henrich v.T.

Mit angepasstem Tempo und entsprechender Fitness sind im Alter auch größere Touren kein Problem.


Natürlich spielt beim Bergsport neben der Fitness auch die Kraft eine Rolle. Beim Klettersteiggehen muss man einschätzen können: Was halten meine Arme, was schaffen meine Hände und Finger? Was schaffe ich mental? Denn oft einmal kommen Überraschungen auf einen zu, die man in der Tourenbeschreibung nicht liest. Und mit diesen Dingen muss man natürlich vor Ort fertig werden.

Auch das Tempo muss man richtig einschätzen können. Ich kann nicht mehr in einer Dreiviertelstunde auf den Tegelberg raufrennen, da brauche ich jetzt eben zweieinhalb Stunden. Aber ich komme ohne Probleme rauf. Oben habe ich drei Minuten zum Umziehen und dann bin ich wieder in Ordnung und könnte schon wieder runtergehen, wenn ich wollte. Der Körper darf keine langen Pausen benötigen, um wieder in den Ruhezustand zu kommen. Das muss man im Gefühl haben.

Das heißt, dass man eigentlich alles noch machen kann, nur in seinem angepassten Tempo?

Genau.

Gab es denn ein Alter, wo Du gemerkt hast, dass jetzt etwas spürbar nachlässt?

Mit 90 hab ich eigentlich noch nichts gespürt. Vor wenigen Jahren bin ich noch jeden schönen Tag rausgegangen, da war das überhaupt kein Problem. Klar ist es ein bisschen langsamer gegangen, aber da hatte ich keine Schwierigkeiten. Seit letztem Jahr merke ich schon Einschränkungen, zum Beispiel meine Augen. Wenn eine Stufe kommt, kann ich von oben nicht erkennen, wie hoch sie ist. Das beeinträchtigt stark. Das Gehör ist wurscht, aber eine gute Sehkraft ist beim Bergsport wichtig. Dafür fahre ich jetzt halt viel mit dem E-Bike rum. Mit ’nem Normalrad könnte ich vielleicht die Hälfte schaffen.

Gibt es ein Höhenmeterlimit, was Du heute ohne Bergbahn nicht mehr überschreiten würdest?

Das kann man so nicht sagen. Ich träume immer noch davon, dass ich im Pitztal ein bisschen umeinander geh. Aber dazu brauche ich einen Begleiter, der gescheit sieht. 3.500 Meter, das reicht mir schon.

Eine Gruppe Wanderer auf einem Bergpfad zwischen grünen Wiesen

Rainer Sturm/pixelio.de

Wie bei jedem Sport macht auch Wandern und Bergsteigen mit Gleichgesinnten mehr Spaß – etwa auf geführten Senioren-Wanderungen des Alpenvereins.


Was würdest Du älteren Menschen, die noch Sport am Berg treiben wollen, als Tipp mitgeben?

Das hängt sehr vom Gesundheitszustand ab. Man darf sich nicht überschätzen. Man muss zunächst kleinere Bergtouren machen und sehen, ob man aufbauend darauf größere machen kann. Denn wenn man bei den kleineren Touren schon irgendwelche Schwierigkeiten hat, dann sollte man es lieber lassen… Beziehungsweise weiter trainieren und mehr im Flachen wandern. Obwohl das im Flachland spazieren gehen mir null Spaß macht! (lacht)

Die Ambitionen verändern sich

Viele Deiner Freunde, mit denen Du in den Bergen unterwegs warst, sind im Laufe der Zeit gestorben.

Ja, in meiner Altersklasse sind alle gestorben und in der nächsten Altersklasse (etwa 20 Jahre jünger) haben auch viele ihre Wehwehchen und haben mit dem Bergsteigen und Skifahren aufgehört. Da habe ich eigentlich niemanden mehr zum Sport treiben. Und das ist ein großes Manko. Denn wenn man einen hat, der einen mitnimmt oder bissl antreibt, da sagt man gern immer ja. Wenn man aber niemanden hat, dann sitzt man auch ganz gern im Sessel. Ich vermisse die langjährigen Tourenkameraden schon sehr.

Bist Du dann auch Bergtouren alleine gegangen?

In bekannten Gegenden, die nicht allzu schwer sind, bin ich schon viel allein gegangen – sowohl Bergtouren als auch Skitouren. Aber da gilt, gerade wenn man älter ist: Man muss doppelt aufpassen, man muss wissen, dass man allein ist. Man sollte also lieber ein bisschen langsamer gehen, sodass man genügend Reserven hat, um sicher gehen zu können. Darum habe ich in den letzten Jahren manchmal auf den Gipfel verzichtet und mir gedacht: „Den schenkst du dir, da warst du schon oben.“ Damit genügend Kraft für eine sichere Gehweise vorhanden ist – und für den Abstieg bzw. die Abfahrt.

Ein älterer Mann in Wanderoutfit schaut auf seine Pulsuhr.

Franziska von Treuberg

Mit zunehmendem Alter verändern sich auch die Ambitionen beim Bergsport: Muss es wirklich der Gipfel sein? Geht man auch alleine los? Muss ich noch bei jedem Wetter an den Berg?


Das heißt, mit zunehmendem Alter verschieben sich auch die Ambitionen?

Die Ambitionen haben sich schon stark verändert. Früher wollte ich unbedingt auf jeden Gipfel raufgehen – egal wie das Wetter war. Und wenn ich keinen fand, der mitgeht, dann bin ich eben alleine gegangen. Gerade im Alpengebiet gibt es wunderschöne 3.700-Meter-Berge, auch ein paar ganz saftige, da mussten wir auf alle rauf, auch mit Seilhilfe. Diesen Drang habe ich nicht mehr.

Im Alter wird man dann ein bisschen fauler. Man sagt sehr schnell, da war ich schon oben, da muss ich nicht noch mal hin. Oder wenn das Wetter nicht richtig gut ist, dann bleibt man zuhause.

Trotzdem fällt es mir manchmal noch schwer, das zu akzeptieren, dass nicht jeder Gipfel mehr geht. Oft denke ich: „Ach das ist doch gar nicht so weit.“ Aber die Vernunft sagt dann schnell:  „Was soll’s, da musst du ja auch wieder runter.“ Und gerade das Runtergehen ist bei mir wegen der eingeschränkten Sehkraft ein großes Problem.

Gäbe es denn einen Gipfel, der Dich noch reizen würde?

Wenn ich daran denke, wie viele Leute heutzutage da oben sitzen und am Berg umeinander gehen, da mag ich an viele Stellen eigentlich gar nicht mehr hingehen. Besonders reizen? Eigentlich nicht. Was ich machen wollte, habe ich gemacht.

Was war Dein höchster Berg?

Mein höchster Berg war der Mont Blanc. Ich hatte nie den Trieb auf den Everest oder in die Anden oder sonst wohin zu gehen. Mir haben unsere heimischen Berge, die gesamte Alpenkette, vollkommen ausgereicht.

Und Deine letzte große Bergtour?

Im Ötztal, bei Vent. Vor fünf Jahren etwa. Da sind wir aufs Wilde Manndl (3.023 Meter) gegangen, unterhalb von der Wildspitze. Das ist ein wunderschöner Aussichtsgipfel, den man ohne Schwierigkeiten begehen kann. Kleinere Touren gab es im letzten Jahr noch, hier in der Füssener Gegend – Aggenstein, Tegelberg natürlich. Aber wegen der Sehkraft brauche ich da jetzt viel länger – und da habe ich keine Lust mehr. Jetzt gerade ist der Füssener Kalvarienberg mein höchster Berg. (lacht)

Henrich, vielen Dank für das spannende Interview!

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