Die Suche nach einer passenden Bindung ist wirklich nicht einfach. Freeridetaugliche Rahmenbindungen sind oft super schwer und somit unangenehm im Aufstieg, leichtere Pin-Modelle können oft nicht die geforderte Sicherheit und Stabilität fürs Freeriden bieten. Nachdem das ursprüngliche Patent von Dynafit für Pin-Bindungen ausgelaufen ist, hat sich in diesem Bereich in den letzten Jahren aber einiges getan.
Eine interessante Alternative aus dem Freetouring-Bereich war für mich daher die Fritschi Tecton 12, die im Winter 17/18 vorgestellt wurde. Bei dieser sucht man vergeblich die zwei „Zapferl“ am Hinterbacken, die man von anderen Pin-Bindungen gewöhnt ist. Womit wir auch gleich bei einem der Haupt-Unterschiede zu den Konkurrenzprodukten am Markt sind.
Der Hinterbacken der Fritschi Tecton 12
Die Sicherheitsauslösung findet bei der Fritschi Tecton sowohl über den Vorder- als auch den Hinterbacken statt. Der entscheidende Unterschied liegt jedoch am Hinterbacken. Dieser hat keine horizontale Beweglichkeit, sondern kann sich nur vertikal öffnen. Somit funktioniert der Kraftschluss hinten komplett wie bei einer Alpin-Bindung.
Bei einer horizontal-drehenden Bindung ist die Ferse bei jedem Schwung oder anderer Krafteinwirkung leicht in Bewegung. Bei der Fritschi Tecton ist das kaum möglich und die Energie kann deutlich besser auf den Ski übertragen werden.
Zusätzlich baut Fritschi durch das im Hinterbacken verbaute Rail eine direkte Verbindung zum Tourenstiefel ein, dieses greift nämlich in das Insert an der Ferse.
Das letzte Geheimnis des Hinterbackens ist das verbaute Niederhalte-System, durch welches der Schuh mit Druck von oben auf dem Ski gehalten wird. Damit ist der Kraftschluss sowohl von oben als auch von der Seite gewährleistet.
Bisher funktioniert nur eine andere relevante Bindung nach einem ähnlichen Prinzip: die Marker KingPin – die es ja bereits seit einigen Jahren gibt. Diese hat jedoch den Nachteil, dass der Hinterbacken horizontal beweglich ist. Hier wird also ähnlich wie bei den klassischen Pinbindungen der Kraftschluss durch die Drehbewegung unterbrochen.
Sicherheitsauslösung im Vorderbacken
Ein weiteres Merkmal der Fritschi Tecton 12 ist die Auslösung im Vorderbacken, welche durch die Fritschi Vipec Evo bereits seit längerem auf dem Markt etabliert ist. Fritschi ist aktuell der einzige Tourenbindungshersteller, der dieses Prinzip anbieten kann.
Selbstverständlich lösen andere Pin-Bindungen bei Stürzen auch aus, aber da bei Fritschi der Vorderbacken auf den jeweils individuellen Z-Wert des Fahrers eingestellt werden kann, findet die Auslösung exakter statt und bietet somit ein Plus an Sicherheit.
Im Aufstieg hat man den entscheidenden Vorteil, dass die Bindung nicht komplett verriegelt ist, sondern nur der Toleranzbereich für die Auslösung erhöht wird. Beim Traversieren kann es beispielsweise vorkommen, dass sehr viel Druck auf einen der Pins am Vorderbacken übertragen wird. Dadurch könnte es passieren, dass die Bindung ungewollt auslöst. Der erhöhte Toleranzbereich in der Aufstiegsfunktion soll genau diese Art von Fehlauslösung verhindern.
Dennoch ist es, wenn es beispielsweise während des Aufsteigens zu einer Lawinensituation kommt, sicherer für den Tourengeher, wenn die Ski nicht am Fuß bleiben. Vor der Lawine weg fahren ist mit loser Ferse keine Option und unnütze Tourenski am Fuß können schlimmstenfalls sogar als Anker wirken.
Die Fritschi Tecton 12 im Praxis-Test
Generell halte ich Ski von 90 bis 120 Millimeter Mitteltaillierung für geeignet, um sie mit der Bindung zu kombinieren. Ich habe mir mit dem Dynastar Cham 107 Ski ein (für den Alpenraum ausreichend breites) Freeride-Set erstellt. Als netten Zusatz bietet Fritschi die Möglichkeit, die Bindung über verschiedenfarbige Clips zu individualisieren.
Handhabung
Positiv aufgefallen ist mir im Test besonders die Handhabung der Bindung. Sowohl der Vorder- als auch der Hinterbacken „schnappen“ schnell und präzise zu, sodass ich beim An- und Abschnallen der Ski auch bei Ausgangssituationen mit Hangneigung oder starkem Wind keine Probleme hatte.
Einen kleinen Kritikpunkt habe ich bezüglich des Umstellens der Steighilfen: diese lassen sich nicht ganz so flüssig umklappen, wie man es von anderen Pin-Bindungen mittlerweile kennt. Wer jedoch noch die Steighilfensysteme zum Drehen kennt, der weiß, dass das Jammern auf hohem Niveau ist.
Die Bindung im Aufstieg
Bis auf das bereits erwähnte Umklappen der Steighilfen bin ich mit der Aufstiegsfunktion absolut zufrieden. Das System ist intuitiv und Ein- und Ausstieg funktionieren mehr als zufriedenstellend. Je nach Steigung bin ich ohne oder mit einer der zwei Steighilfen unterwegs gewesen. In geschätzten 80 bis 90 Prozent des Geländes benötigte ich aber nur die erste Steighilfe.
Die Bindung in der Abfahrt
Bei perfekten Freeride-Bedingungen mit Pulverschnee bis zur Hüfte, also Abfahrten, in denen man vor Powder nichts mehr sehen konnte, hat mich das Set nicht im Stich gelassen. Hier konnte ich erstmals auch meine Erfahrung mit dem Auslöseverhalten der Bindung machen. Als ich mich an einem kleineren Baum einfädelte, löste die Bindung aus und bis auf das ungeliebte Ski-Suchen ist nichts weiter passiert. Aufstehen und weiterfahren…. Dafür war ich dankbar, obwohl es bei so viel Schnee natürlich auch wichtig ist, dass die Bindung nicht zu früh auslöst, ansonsten verbringt man mehr Zeit mit Ski suchen als mit Skifahren.
Auch anspruchsvollere Gelände-Abschnitte mit windgepresstem Schnee und Pisten ließen sich gut meistern. Die Bindung vermittelt ein sicheres Gefühl und lässt den Ski präzise kontrollieren.
Test-Fazit zur Fritschi Tecton 12
Das Gewicht von 1.280 Gramm inklusive Stopper schafft ein sehr breites Einsatzgebiet der Bindung. Sie ist leicht genug, um lange, klassische Skitouren zu gehen, aber bietet dennoch eine gute Abfahrtsperformance als Freeride-Bindung.
Zusammengefasst ist die Fritschi Tecton für mich eine gelungene Weiterentwicklung der Tourenbindungen in puncto Sicherheit und Abfahrts-Performance. Wem diese beiden Aspekte besonders wichtig sind, dem kann ich die Bindung absolut empfehlen.