Liebe Julia, Du bist eine von nur 13 weiblichen staatlich geprüften Bergführerinnen in Deutschland. Wie kommt’s, dass es nur so wenige Frauen in dem Beruf gibt?
Julia von der Linden
Gute Frage. Ich vermute, das liegt einerseits daran, dass man als Bergführer in vielen verschiedenen Disziplinen ein recht hohes Niveau erreichen und bewahren muss: Eisklettern, Felsklettern, Hochtouren, Skitouren und Freeriden. Um darin entsprechend gut zu sein, muss man sehr diszipliniert und eigenverantwortlich unterwegs sein.
Zum anderen ist man als fertiger Bergführer oft mehrere Tage am Stück unterwegs. Vielleicht passt das bei vielen nicht in die Familienplanung.
Julias Weg zur staatlich geprüften Bergführerin
Wie bist Du zu dem Beruf gekommen?
Ich stamme aus Garmisch. Schon als kleines Kind war ich in den Bergen unterwegs, beim Klettern, Wandern und Skifahren. Als ich meine Ausbildung zur staatlich geprüften Skilehrerin gemacht habe, habe ich einige Bergführer kennengelernt, die dort den lawinenkundlichen Teil der Ausbildung übernommen haben. Da begann ich, mich konkreter für diese Ausbildung zu interessieren. Außerdem ist mein Mann Bergführer.
Ich möchte kein rosa Abzeichen, sondern gleichwertig behandelt werden.
Julia von der Linden, staatlich geprüfte Bergführerin
Hast Du während Deiner Ausbildung jemals das Gefühl gehabt, es schwerer zu haben als die Männer?
Nein, kein Stück. Da werden alle gleich behandelt. Ich hatte es aber auch nie leichter und das finde ich ebenfalls richtig. Ich will ja am Ende des Tages das gleiche leisten können wie ein männlicher Kollege. Ein „rosa Abzeichen“ würde mir da nicht weiterhelfen.
Wie reagieren Deine Gäste auf eine Bergführerin?
Ich kann bislang tatsächlich nur Positives berichten. Die meisten freuen sich sogar, mal von einer Frau geführt zu werden – egal, ob ich männliche oder weibliche Kunden habe. Was schon mal passieren kann, ist, dass ein Mann ein bisschen austesten will, wie fit ich denn wirklich bin und plötzlich stark anzieht. Aber im Sinne der Gruppe kann ich den dann schon wieder einbremsen.
Julia von der Linden
Julia von der Linden
Am Berg gibt’s kein Klischee-Verhalten
Verhalten sich Frauen am Berg anders als Männer? Und wenn ja, inwiefern?
Das kann man so generell nicht sagen. Ich finde, dass das eher typabhängig ist. Es gibt „draufgängerische“ Frauen und zurückhaltendere. Genau wie bei den Männern.
Was können Frauen von Männern am Berg lernen? Und anders herum, Männer von den Frauen?
Oft ist es ja gerade bei Pärchen so, dass sie ihm die Führung überlässt, teils aus Bequemlichkeit, teils, weil der Mann diesen Part gerne übernimmt. Traut Euch ruhig mal selber, Mädels. Übernehmt Verantwortung, trefft Entscheidungen.
Männer könnten vielleicht lernen, nicht um jeden Preis den Gipfel erreichen zu wollen und auch zu akzeptieren, wenn es mal nicht klappt. Frauen bleiben da oft flexibler.
Julia von der Linden
Bergheldinnen haben Spaß am Berg
Was macht für Dich eine „echte Bergheldin“ aus?
Eine Frau, die genau das beherrscht: Sie hat ein klares Ziel vor Augen und gibt dafür alles. Trotzdem kann sie es akzeptieren, wenn die Umstände gegen sie sprechen und bleibt flexibel, wenn das Ziel nicht erreicht wird. Umkehren ist nämlich auch sehr lehrreich. Wer das hinnehmen kann und trotzdem noch Spaß hat, ist für mich ein Held.
Man sagt, Frauen trauen sich im Allgemeinen weniger zu. Kannst Du das bestätigen? Wie motivierst Du eine Frau, die mit Dir unterwegs ist, wenn sie sich etwas nicht traut?
Natürlich gibt es Frauen, die ihr Licht unter den Schäffel stellen oder in gewissen Situationen wenig Selbstvertrauen haben. Es gibt aber auch Frauen, die sich komplett überschätzen. Und bei Männern ist es genauso, es gibt die eine Sorte und die andere. Pauschal bejahen kann ich das also nicht. Wenn sich eine Frau, die ich führe, etwas nicht traut ermutige ich sie, indem ich sie an vorherige Erfolge auf der Tour erinnere. Ich versuche, für sie ein „Sicherheits-Backup“ zu sein, damit sie weiß, dasss ihr nichts passieren kann.
Julia von der Linden
Hast Du noch einen Tipp für alle Bergheldinnen da draußen?
Frauen sollten ruhig öfter mal alleine oder nur in Frauengruppen losziehen. Dann müssen sie selbst die Initiative ergreifen und das nicht den männlichen Bergpartnern überlassen – sei es bei der Tourenplanung, beim Kartenlesen, beim Vorsteigen beim Klettern etc. In Frauengruppen spüren die einzelnen Mitglieder oft auch weniger Druck als in der gemischten Gruppe. Dadurch lässt sich viel Selbstvertrauen aufbauen.