In Sachen Haltbarkeit eines Klettergurts herrscht bei vielen Unsicherheit. Woran erkennt man, dass der Klettergurt ausgetauscht werden muss? Gibt es eine Faustregel? Schließlich vertrauen wir dem Klettergurt unser Leben an.
Drei Faktoren musst Du für die Haltbarkeit des Klettergurts berücksichtigen:
- Alter und Nutzungsintensität des Klettergurts
- Abnutzungserscheinungen am Klettergurt
- Besondere Ereignisse und Umwelteinflüsse
1. Alter des Klettergurts
Neben anderen Kriterien spielt – wie bei jedem anderen Sicherheitsgegenstand – das Alter des Gurtes eine wichtige Rolle. Denn schließlich wird das Material – meist Polyamid – nach einer gewissen Zeit spröde und kann nicht mehr die volle Last tragen. Deshalb geben Hersteller auch eine Lebensdauer für ihre Gurte an.
„Jeder Hersteller“, erklärt Philippe Westenberger, Produktmanager bei Edelrid, „muss nach der europäischen Norm zertifiziert eine maximale Lebensdauer angeben. Diese Angabe ist der Gebrauchsanleitung zu entnehmen und bezieht sich auf die vom Hersteller garantierte maximale Lebensdauer bei optimalen Lagerbedingungen und ohne Benutzung. Sie gibt die obere Grenze der Lebensdauer an. Bei den meisten Herstellern beträgt sie zwischen zehn und 12 Jahren.“
Die maximale Lebensdauer eines Gurtes ist immer der Gebrauchsanleitung zu entnehmen.
Die Klettergurt-Hersteller geben hier unterschiedliche Gewährleistungen, was nicht zuletzt von den unterschiedlichen verarbeiteten Materialien abhängt.
Martin Bachmeier
„Gurte aus Polyamid ohne andere spezielle Fasern“, erklärt Radim Feix von Ocun, „können bis zu zehn Jahre im Einsatz sein – wenn man seinen Gurt nur selten nutzt, also einige Male im Monat. Und dann sind da Gurtmodelle mit Spezialfasern in den Hauptteilen. Diese sollten weniger lang eingesetzt werden, oft nur bis zu zwei Jahren.“ Als Richtwert kannst Du Die hier fünf Jahre merken. Auch hier gilt: Ausschlaggebend ist – richtig – die Gebrauchsanleitung.
Nutzungsintensität und -häufigkeit
Für die Lebensdauer und Haltbarkeit Deines Klettergurtes ist die Art und Weise der Nutzung entscheidend. Zum einen ist hier die Häufigkeit, zum anderen die Art des Kletterns entscheidend.
Hier wird es mit einer Faustregel schon komplizierter. Westenberger von Edelrid dazu: „Die obere Grenze der Lebensdauer beträgt bei den meisten Herstellern zwischen zehn und zwölf Jahren. Darunter fängt es allerdings schon an, kompliziert zu werden. Denn auch wenn viele Hersteller zusätzlich noch weitere Angaben zur Nutzungsdauer machen und diese nach ‚gelegentlicher‘ oder ‚häufiger Gebrauch‘ staffeln, ist die Definition dieser Klassen wohl äußerst schwammig.“
Ein Gurt, der fünf Mal pro Woche zum Einsatz kommt, muss eher getauscht werden als einer, der nur sporadisch einmal pro Woche verwendet wird.
Aber auch wenn Du Deinen Gurt nur selten verwendest, muss er früher oder später ersetzt werden. Ein Klettergurt nutzt sich sehr viel schneller ab, wenn Du mit ihm Routen projektierst und er mehr Stürze ins Seil auffangen muss. Insbesondere wenn nah am Haken geklettert und daher hart gesichert wird, ist der Gurt einer sehr hohen Dauerbelastung ausgesetzt.
Ein weiteres Belastungs-Beispiel sind Körperrisse. Wenn das Material bei einem Risskletterer tagein tagaus am Fels entlang schrubbt, nutzt es sich sehr viel schneller ab, als bei einfachen Stürzen ins Seil. Wer viel projektiert, sollte seinen Gurt daher im Schnitt lieber etwa alle zwei Jahre ersetzen, also deutlich häufiger als es der Richtwert angibt.
Die Faustregel ist letzten Endes eigentlich doch ganz einfach, so Westenberger:
Im Zweifel sollte man das Produkt lieber aussondern und sich die Frage stellen, ob einem sein Leben nun doch 60 bis 80 Euro wert ist
Phillippe Westenberger, Edelrid
Abnutzungserscheinungen am Gurt erkennen
Um zu entscheiden, ob Dein Klettergurt schon vor seiner maximalen Lebensdauer ausgetauscht werden muss, solltest Du ihn regelmäßig auf starke Abnutzung überprüfen. Das bedeutet nicht, dass ein vollgechalkter Gurt schon seinen Zenit erreicht hat.
Vielmehr geht es um das Material, besonders an der Anseilschlaufe und den Beinschlaufen (also die Einbindepunkte). Sind nur leichte Spuren zu sehen, stellt das im Normalfall kein Problem dar. Kritisch wird es vor allem dann, wenn sicherheitsrelevante Stellen sehr dünn werden und sich langsam auflösen. Bei einigen Herstellern sieht man das besonders deutlich, da der Materialkern eine andere Farbe hat.
Stefan Rehm
Philippe Westenberger von Edelrid empfiehlt deshalb, „den Gurt regelmäßig (eigentlich vor jedem Gebrauch) auf Beschädigungen zu überprüfen. Wichtige Punkte, die es dabei zu überprüfen gibt, sind die Unversehrtheit von Bandkanten, beschädigte Nahtriegel, sonstige Verfärbungen der Bänder oder Korrosion oder scharfe Kanten der Metall-Beschlagteile (Schnallen).“
Bei zahlreichen Stürzen und während längerer Ausboulder-Aktionen am Seil wird vor allem der Anseilpunkt einer hohen beziehungsweise kontinuierlichen Belastung ausgesetzt und nutzt sich somit am schnellsten ab.
Materialschäden durch besondere Ereignisse und Umweltfaktoren
Ein weiterer Faktor, der schlagartig das Ende der Haltbarkeit Deines Klettergurtes bedeuten kann, sind „besondere Ereignisse“. Damit ist kein einfacher Sportklettersturz gemeint. Vielmehr geht es beispielsweise um Schnitte oder Risse an der Anseilschlaufe oder dergleichen, die durch scharfe Felskanten oder aus anderen Gründen verursacht werden. Nach solchen Ereignissen solltest Du den Gurt deshalb im Zweifelsfall ersetzen.
Außerdem gilt, was für alle textilen Teile beim Klettern (etwa Bandschlingen, Seile oder Expressschlingenbändchen) gilt, so Produktmanager Radim Feix von Ocun: Mit einigen Stoffen darf Dein Klettergurt nicht in Kontakt kommen. Dazu zählen:
- Öl
- Säure
- Lösungsmittel
Wenn Dein Gurt mit einem dieser Stoffe Kontakt hatte, musst Du Ihn aussortieren. Das gilt natürlich für alle textilen Teile, die beim Klettern für die Sicherung verwendet werden. Schlecht für das Material sind außerdem Feuchtigkeit, Sonne und Schmutz, insbesondere wenn der nasse Gurt nicht sorgfältig getrocknet wird. Dadurch wird das Material porös, härtet aus, und verliert entscheidend an Tragkraft.
Im Hinblick auf all diese Ereignisse solltest Du Deinen Klettergurt deshalb regelmäßig überprüfen. Wie bei der Abnutzung gilt auch hier: Im Zweifelsfall lieber ersetzen oder zumindest eine sicherheitserfahrene Person um deren Einschätzung bitten.
Aufbewahrung und Pflege des Klettergurts
Zuletzt wirken sich auch die Lagerung und der Transport auf die Lebensdauer Deines Klettergurtes aus.
Deinen Gurt solltest Du immer vor Nässe und Schmutz geschützt transportieren. Auch die gemeinsame Aufbewahrung zusammen mit scharfen Gegenständen wie Eisgeräten oder Steigeisen bekommt beispielsweise dem Hochtourengurt nicht gut. Zum Schutz des Klettergurtes empfiehlt es sich, eine extra Tasche zu verwenden. Viele Hersteller liefern diese schon direkt beim Kauf mit. Bei Regen lohnt sich eine Regenhülle für den Rucksack.
Stefan Rehm
Für die Lagerung nimmst Du am besten alle Teile, die nicht zum Gurt gehören, vom Gurt: Eine beliebte Angewohnheit sei, die mit einem Ankerstich befestigte Selbstsicherung am Gurt zu lassen, kritisiert Westenberger von Edelrid. „Das tut weder der Schlinge noch dem Anseilring auf Dauer gut und sollte unbedingt vermieden werden, denn ein Versagen eines dieser Teile kann sich keiner leisten.
Ansonsten solltest Du Deinen Gurt möglichst liegend, sauber, trocken und geschützt vor UV-Licht lagern. Besonders wenn der Gurt nass ist, sollte er zum Trocknen nicht direkt auf einem Heizkörper liegen oder drüber hängen. Den nassen Gurt einfach in einem trockenen Raum auf dem Boden (oder Tisch) trocknen lassen.“
Fazit zur Haltbarkeit von Klettergurten
Jeder Klettergurt hat einen Richtwert für seine Lebensdauer. Sowohl Nutzungsintensität und -häufigkeit, als auch besondere Ereignisse, Umweltfaktoren und die Art der Lagerung können diese Lebensdauer entscheidend beeinflussen. Passe also gut auf Deine Ausrüstung auf. Und vergiss nie, wie wichtig der Gurt ist.
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