Klettern und Bouldern mit Kindern: Eigentlich ein Selbstläufer. Das „Kraxeln“ liegt in der Natur der Kinder, wie manch Elternteil zuhause bereits entsetzt feststellen musste, als einem die Kleinen vom Kleiderschrank oder dem höchsten Apfelbaum im Garten aus zugewunken haben.
Bouldern mit Kindern
Das Bouldern hat dabei – besonders für die Kleineren – seinen ganz besonderen Reiz. Spezielle Kinderbereiche in den Boulderhallen sind liebevoll mit vielen Erlebniselementen eingerichtet. Sobald Deine Kleinen das Klettergerüst auf dem Spielplatz in Angriff nehmen, können sie auch im Kinderbereich der Boulderhalle spielen. Da heißt es ab an die Griffe und los geht’s.
Bergzeit
Klettern mit Kindern
In der Kletterhalle ist das Ganze schon etwas komplexer, denn hier darf das Kind natürlich nur gesichert rauf. Eltern, die ihre Kinder in die Welt des Kletterns einführen möchten, stellen sich dabei viele Fragen. Welche Ausrüstung benötigt mein Kind? Und wo und wie kann es das Klettern lernen?
- Was bringt’s? Klettern und Bouldern liegt Kindern im Blut – und ist super für das Gleichgewicht sowie zentrale koordinative Fähigkeiten. Es schult räumliches Denken und trainiert die Muskeln. Und: Es stärkt das Selbstbewusstsein! Gründe genug also, es auszutesten.
- Ab wann? Hier gibt es keine generelle Faustregel. In der Boulderhalle können bereits Zweijährige auf ihre Kosten kommen. Beim Seilklettern kommt es auf das Kind an; Schnupperkurse für Kinder gibt es meist ab sechs oder sieben Jahren. Klettern mit erfahrenem Sicherer ist, je nach Kind, aber auch schon früher möglich.
- Was braucht mein Kind? Fürs Bouldern nur Kletterschuhe und einen Chalkbeutel, beim Seilklettern zusätzlich noch einen Hüft- oder Brustgurt. Der Sichernde benötigt ein Sicherungsgerät, Gurt und Seil.
- Wo? Schau doch am besten mal im Internet nach, ob es in Deiner Umgebung eine Boulderhalle gibt und was diese für Kinder bietet.
- Wie läuft es vor Ort ab? Informiere Dich am besten vorab über die Bestimmungen der Halle: So haben Kinder in manchen Hallen erst ab einem gewissen Alter Zutritt zum Erwachsenenbereich oder nur unter Beaufsichtigung. Manchmal wird auch ein „Boulder-“ oder „Kletterführerschein“ verlangt, den man vor Ort absolvieren kann.
Interview mit dem Deutschen Alpenverein
Wir haben uns mit den Experten des Deutschen Alpenvereins, Björn Jockel, Bildungsreferent Sportklettern, Leistungs- und Breitensport und Routenbau, und Doris Kordon, Bildungsreferentin fürs Familienbergsteigen, unterhalten.
Doris Kordon, DAV
Björn Jockel DAV
Ich erinnere mich noch gut an meine Kindheit – nun beobachte ich es bei meinem Sohn: Kinder lieben das Klettern! Sie bekraxeln so ziemlich alles, was ihnen unter die Finger kommt. Woran liegt das?
Doris: Kinder wollen sich ausprobieren, Hindernisse überwinden und ihre Grenzen ausloten. Hinzu kommt natürlich der Bewegungsdrang und die natürliche Abenteuerlust. Klettern bedient all diese Bedürfnisse perfekt.
In welchem Alter können Kinder in der Halle starten?
Doris: Das hängt vom Kind und seiner körperlichen und geistigen Reife ab. Sieben Jahre gilt oft als das empfohlene Mindestalter – aber das ist tatsächlich sehr individuell.
Björn: Ich denke auch, eine konkrete Altersangabe kann man hierzu nicht machen. Es hängt vom Kind, aber auch von den Eltern ab, inwieweit sie ihre Kinder machen lassen wollen.
Welche Fähigkeiten erlernen sie dabei?
Björn: Klettern ist super für das Gleichgewicht als zentrale koordinative Fähigkeit. Außerdem wird die räumliche Orientierungsfähigkeit geschult. Und Klettern ist für die Kinder ein spielerisches Krafttraining. Kinder machen die Kletterbewegungen automatisch, was bei Erwachsenen oft nicht von Natur aus so ist.
Doris: Klettern für Kinder ist super – es stärkt das Selbstbewusstsein, denn es geht darum, eigene Grenzen wahrzunehmen und zu überwinden. Darüber hinaus lernen Kinder dabei aber auch, Verantwortung zu übernehmen: Insbesondere die größeren, die schon sichern dürfen. Außerdem ist es super für die Konzentrationsfähigkeit.
Bergzeit
Bergzeit
Wie gehe ich mit Angst oder mangelndem Selbstbewusstsein um? Oft erlebe ich, dass Eltern ihre Kinder die Route regelrecht „hochschreien“. Führt das nicht eher zur Frustration?
Doris: Hochschreien ist bestimmt nicht die Methode der Wahl und kann eher dazu führen, dass die Kinder keine Lust mehr haben oder Angst bekommen. Man sollte einem Kind, das nicht weiterkommt, respektvoll begegnen und es für das loben, was es schon erreicht hat. Geduld ist hier das Schlüsselwort – ohne Druck ausprobieren lassen. Will es trotzdem wieder runter, ist das zu akzeptieren.
Am besten bindet man den Nachwuchs von Anfang an aktiv in die Entscheidung mit ein: Willst Du mit mir klettern oder an die Boulderwand? Willst Du die grüne oder die gelbe Route ausprobieren? Etc.
Björn: Ganz wichtig bei Kindern: Sie können einfach mal bunt klettern – ohne vorgegebene Route. Wir nennen das immer Smarties klettern und einfach mal hoch kommen. Und wenn die Kinder runter wollen, dann auf jeden Fall runter kommen lassen oder sogar abholen und entgegen klettern.
Welche Kletterausrüstung braucht mein Kind für den Besuch in der Kletter- oder Boulderhalle?
Doris: Hier sollten wir zwischen Bouldern und Klettern unterscheiden. Fürs Bouldern genügen eigentlich saubere Sportschuhe.
Björn: Genau, zunächst reichen bequeme Turnschuhe und wenn das Kind Spaß am Bouldern hat, irgendwann eigene Kletterschuhe – aber für Kinder bitte keine zu engen Schuhe. Dazu noch ein eigener Magnesiabeutel, fertig.
Für das Seilklettern braucht das Kind einen Klettergurt: Je nach Alter und körperlicher Entwicklung entweder einen Komplettgurt (Brust- in Kombination mit Hüfgurt) für die Kleineren bzw. einen Hüftgurt für ältere, sportlichere Kinder. Dazu Chalk und bequeme Kletterschuhe. Die Eltern benötigen als Sicherungsgerät einen Halbautomaten (Grigri, Fish usw.) mit passendem Karabiner und einen Hüftgurt.
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Kurs oder selber beibringen – was empfiehlt der Experte?
Björn: Zunächst kann man das Kind in die Boulderhalle mitnehmen und dort einfach mal ausprobieren lassen. Die Eltern sollten sich aber genau mit den Hallenregeln auseinandersetzen und ihr Kind belehren und zudem auch auf ihr Kind aufpassen. Kletter- bzw. Boulderhallen sind kein Spielplatz. Auch hier gilt, trotz Matten, nicht von oben runterspringen. Nicht ganz hochklettern und wenn möglich immer abklettern.
Bei Kindern ist es ganz wichtig darauf zu achten, dass sie nicht zu weit hochklettern.
Körpergröße immer in Relation zur Wandhöhe sehen. Kinder haben schnell mal zwei Meter unter den Füßen. Bei Stürzen aus diesen Höhen treten große Kräfte auf, welche Kinder nicht mit ihrer Muskulatur kompensieren können. Beim Seilklettern entweder das Kind mit zum angeleiteten Schnupperklettern mitnehmen oder einen Kurs besuchen, falls man selbst keine Ahnung hat oder es im Freundeskreis keine Kletterer gibt. Denn die Sicherungstechniken müssen unbedingt von Anfang an richtig gelernt werden.
Doris: Ein Kurs mit Gleichaltrigen ist immer eine gute Idee, weil es den Kindern Spaß macht und sie unter- und miteinander oft mehr lernen (wollen) als von den Eltern.
Kletter- und Boulderhallen sind kein Spielplatz (mit Ausnahme des Kinderspielbereichs natürlich, aber auch hier sollten Kinder achtsam sein). Kinder sollten niemals unbeaufsichtigt auf den Bouldermatten oder im Einstiegsbereich von Kletterrouten herumlaufen. Im Falle eines Sturzes oder spontanen Absprungs kann das nämlich ganz schön unangenehm werden. Auch Spielsachen, Trinkflaschen und ähnliches haben im Sturzraum nichts verloren.
Was gilt es zu beachten, wenn ich mit meinen Kindern nach ersten erfolgreichen Kletterversuchen in der Halle an den Fels möchte?
Björn: Falls ein Elternteil vorsteigen muss, um an einem Umlenker einen Toprope einzurichten, braucht er oder sie einen Sicherungspartner, weil Kinder das in der Regel noch nicht selbständig übernehmen können. Je nach Wand und Kletterfahrung des Kindes macht es Sinn, dem Kind einen Helm aufzusetzen.
Weil die Klettertouren draußen meist doch etwas länger sind als in der Halle, sollte das Kind sich langsam an die Höhe herantasten. Deswegen erstmal an kindgerechten, nicht so hohen Felsen anfangen und einfach kraxeln lassen. Wenn man draußen unterwegs ist, kann man die Kinder außerdem zu einem liebevollen und vernünftigen Umgang mit der Natur inspirieren.
Wir danken für das Gespräch!
Kletterausrüstung für Kinder: Schuhe und Gurt
Schuhe und Gurt, dazu noch bequeme, bewegungsfreundliche Kleidung – schon kann Dein Kind in der Halle durchstarten. Hier die Empfehlungen von Bergzeit Magazin-Redakteur und Klettertrainer Stefan Rehm, worauf Du bei der Kletterausrüstung Deiner Kinder achten solltest.
Worauf kommt es beim Klettergurt an?
Wer auf der Suche nach einem Klettergurt für Kinder ist, steht zunächst vor der Frage: Komplettgurt (also Hüft- in Kombination mit Brustgurt) oder „nur“ ein Hüftgurt?
„Komplettgurte haben den Vorteil, dass der Anseilpunkt deutlich höher liegt“, erklärt Stefan Rehm. „Wenn Körpergefühl bzw. -spannung noch nicht so ausgeprägt sind, ist man mit diesem Gurt gut beraten. Beim Abseilen oder einem Sturz wird das Kind so automatisch aufrecht gehalten“.
Ein weiterer Vorteil: „Ist die Hüfte noch nicht so ausgeprägt, besteht beim reinen Hüftsitzgurt die Gefahr, dass er über die Hüftknochen rutschen könnte“, so Stefan. „Wenn sich das Kind durch unglücklichen Sturz auf den Kopf dreht, ist das gefährlich.“
Größere Kinder mit ausgeprägterem Körpergefühl fühlen sich in einem Hüftsitzgurt wohl. Das Alter, in dem Kinder vom Komplett- zum Hüftsitzgurt wechseln können, liegt laut Stefan bei etwa sechs Jahren – natürlich jeweils abhängig von Konstitution und Körperbau des Kindes.
Übrigens: Alle Kindergurte, ob Komplett- oder Hüftgurt, sind nur bis zu einem Gewicht von etwa 40 Kilogramm zugelassen. Danach empfiehlt Stefan, einen Erwachsenengurt in kleiner Größe zu kaufen.
Spielerisch Technik erlernen: Kletterspiele für Kinder
Wenn Rutsche und Piratenschiff in der Boulderhalle langweilig geworden sind und Dein Kind sich im Klettern verbessern möchte, gibt es verschiedene Kletterspiele, mit denen neue Techniken auf kindgerechte Art und Weise erlernt werden können. Hier ein paar Beispiele:
Feuer, Wasser, Sturm
Alle Mitspieler laufen auf den Matten herum. Wenn der Spielleiter „Feuer!“ ruft, müssen sich alle so schnell wie möglich an die Wand retten. Man darf sich nur an roten Griffen festhalten – und das für mindestens fünf (oder zehn, oder fünzehn) Sekunden. Ruft der Spielleiter „Wasser!“, müssen sich alle an blauen Griffen festhalten. Bei „Sturm!“ müssen sich alle flach auf die Matte legen. Der jeweils letzte scheidet aus.
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Teamklettern
Zwei bouldernde Kinder werden mit Klopapier aneinander“gekettet“. Nun müssen sie zu einem vorab definierten Ziel klettern, ohne dass Papier zwischen ihnen reißt.
Blind klettern
Eine tolle Erfahrung: Einfach mal mit verbundenen Augen klettern. Zusätzlich kann ein sehender Partner von unten die Position des nächsten Griffs bzw. Trittes ansagen.
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Höhlenklettern
Eine Pool-Nudel wird so an der Wand befestigt, dass sie ein „U“ bildet. Es markiert den fiktiven Höhleneingang, durch den die Kinder in die Höhle und wieder heraus klettern müssen. Dabei kann das U mal senkrecht, mal waagrecht und mal schräg positioniert werden, um verschiedene Kletterrichtungen zu trainieren.