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Ab ins Abenteuer

Rote Flüh „Sturm im Paradies“: Klettern in den Tannheimer Bergen

6 Minuten Lesezeit
Die Rote Flüh bietet Plattenkletterei und Piazrisse in der Kulisse der Tannheimer Berge. 2004 hat "Hausmeister" Walter Hölzler die wunderbare Mehrseillängentour "Sturm im Paradies" geschaffen, die wir Dir hier vorstellen möchten. Das Abenteuer lockt!

Die Liste der Wunschtouren von Tom und mir ist lang – diesmal steht die Route „Sturm im Paradies“ (UIAA: 8+/250 Meter bzw. acht Seillängen) in der Südwestwand der Roten Flüh im Tannheimer Tal an ihrer Spitze. Die Tannheimer Berge sind das Revier von Walter Hölzler. Von ihm wurde auch die Tour Sturm im Paradies 2004 erstbegangen. Seither lockt sie so manchen ambitionierten Alpinkletterer ins Abenteuer, so wie uns! Und wie es so oft ist: kaum spricht man von jemanden, trifft man die Person auch schon. In der letzten Seillänge der Tour seilt sich Walter Hölzler gerade von oben in einer seiner benachbarten  Routen ab. Als er mich sieht ruft er, „Hey, dich kenne ich doch, du warst doch in der letzten Woche im Rätikon!“ Ich war dort ein paar Tage zuvor mit Hajo Friederich unterwegs. Ja, so sieht man sich wieder – die Kletterwelt ist klein.

Schon vom Tal aus der Blick hoch in das Paradies

Klettern rote Flüh | Foto: Bene Hirschmann
Die Panoramasicht aus der Wand auf das Tannheimer Tal ist phänomenal – trotz Regen vor dem Klettern.

Die Abfahrt zum Abenteuer „Sturm im Paradies“ war wie immer sehr früh für einen Morgenmuffel wie mich: Punkt 6 Uhr ging es los um 90 Minuten später nach relativ schneller Fahrt durch Reutte und weiter ins Tannheimer Tal zu rollen. Der Wanderparkplatz in Nesselwängle ist kostenpflichtig, dafür sieht man die Route schon vom Tal aus gratis. Der Zustieg zum Gimpelhaus auf dem steilen, frisch präparierten Weg ist steil, direkt, aber dafür auch flott.
Trotz sicherer Wetterprognose ziehen an diesem Morgen schon so früh am Morgen im Westen kohlrabenschwarze Wolken auf und bald fallen die ersten Tropfen. Zwei Stunden warten wir in der Hütte, ich bereue es sehr so früh aufgestanden zu sein und tendiere eher zum Aufgeben der Alpinkletterpläne und zu einem weiteren Kaffee. Tom bleibt hartnäckig optimistisch und soll sogar Recht behalten: Die Sonne bricht durch die Wolken und es hört auf zu regnen. Trotz meiner Bedenken, die Wand könnte nach zwei Stunden Regen noch nass und damit unkletterbar sein, brechen wir auf. Am Einstieg pfeift ein ordentlicher Wind, es ist so kalt und ungemütlich, aber der zunehmende Wind trocknet zumindest die nassen Kletterstellen.

Die erste Seillänge wirkt auf mich eher abschreckend, da hier teilweise brüchige Stellen zu finden sind. Die schwere Einzelstelle führt über einen kurzen Überhang, danach folgt einfaches Gelände auf ein großes Felsband. Die folgende zweite Seillänge versöhnt mich wieder mit der Roten Flüh: Der überhängende Piazriss ist zum Glück komplett trocken und gut kletterbar, obwohl er laut Erstbegeher häufig nass ist. Der Fels ist bis auf wenige Ausnahmen fest und kompakt und die Kletterei ist sehr abwechslungsreich. Auch das Wetter hat sich stabilisiert, die Sonne scheint und neben Freude kommt allmählich Sommergefühl auf.

In der dritten und vierten Seillänge geht die Post ab

Klettern rote Flüh | Foto: Bene Hirschmann
Die dritte und fordernste Seillänge. Sturm im Paradies in der Roten Flüh bekommt man nicht geschenkt.

Ein Rechtsquergang in der dritten Länge (UIAA: 8- ) lässt einen schon ein wenig Ausgesetztheit spüren. Die trickreichen Einzelstellen fordern Vor- und Nachsteiger gleichermaßen, beide sollten den achten Schwierigkeitsgrad gut drauf haben. Die Schlüsselstelle der vierten Seillänge (UIAA: 7+) ist eine kurze, überhängende Verschneidung mit einer kleingriffigen Einzelstelle.  Umso bequemer ist danach der Stand auf einem großen Band, wo wir uns mit der mitgebrachten Sportnahrung stärken können.

Die fünfte Seillänge (UIAA: 5+) ist ein Geschenk aus kompakten Fels und sehr entspannend. Links von einer großen Spalte geht es einen schönen Pfeiler hinauf und auf dem Pfeilerkopf befindet sich dann der komfortable Standplatz. Die Retourkutsche folgt in der sechsten Seillänge (UIAA: 7+) in Form von kleinsplittrigem, nicht immer festem Fels. Es ist die unlohnendste Seillänge der Tour und nach einem Quergang geht es links zum Stand in einer großen, höhlenartigen Nische, wo uns auch noch Brennesseln erwarten. Irgendwie nicht so gemütlich. Wir sehen zu, dass wir die Flucht nach oben antreten.

Die Schlüsselseillänge im Sturm im Paradies

Klettern rote Flüh | Foto: Bene Hirschmann
Ein wenig zu kämpfen wird da jeder haben: Die achte Seillänge im Sturm im Paradies lässt erstmal nicht so schnell locker.

Die folgende achte Schlüsselseillänge (UIAA: 8+) der Route Sturm im Paradies fordert weite Züge an kleinen Griffen in steilem Gelände, belohnt aber in der Folge mit traumhaftem, wasserzerfressenem Fels. Allein dieser ist alle Mühen wert. Die Griffe sind in der Folge sehr groß und sehr scharf! Als uns Walter Hölzler von oben entgegen kommt, ist er gerade bei seiner Feierabend-Routine: Dem Kontrollieren der Haken. Walters persönlichen Einsatz ist es zu verdanken, dass die Route Sturm im Paradies so vorbildlich abgesichert ist und alles top in Schuss ist – an dieser Stelle vielen Dank dafür!

Die achte Seillänge (UIAA: 8) ist sehr ausgesetzt: Einem Rechtsquergang mit runden pressigen Passagen folgt eine Einzelstelle, dann ein Linksquergang unter einem Dach mit Untergriffen. Wir entscheiden für uns, das dies die letzte lohnende Seillänge der Tour ist und seilen über die Route ab. Mit einem 50 Meter Doppelseil sind wir schnell und problemlos wieder am Einstieg.

Fazit zu „Sturm im Paradies“

Die Kletterroute an der Roten Flüh ist eine sehr lohnende, top abgesicherte und abwechslungsreiche Tour in beinahe durchgehend hervorragendem Fels. Wir hatten es wohl dem warmen Wind zu verdanken, dass der Fels so schnell abgetrocknet ist. Der Erstbesteiger rät ansonsten von einer Besteigung im nassen Zustand ab, vor allem die zweite Seillänge ist dann wohl eher problematisch. Die schweren Seillängen im oberen Wandbereich sind weniger das Problem, weil die Feuchtigkeit dort gegen Mittag schon verdunstet ist bzw. weil sie überhängend sind, aber dort muss man ja schließlich auch erst einmal hinkommen.


Rote Flüh: Tipps für Kletterer

  • Kletterführer: Allgäu/Tannheimer Tal (Panico-Verlag): Klettern auf der Tannheimer Südseite von Toni Freudig
  • Beste Jahreszeit: Sommer, Herbst, nach dem Frühjahr ist die Route leider oft noch lange nass
  • Anfahrt: Von Garmisch über Leermos oder von Innsbruck über den Fernpass nach Reutte. Dann weiter ins Lechtal nach Weißenbach und hier rechts ins Tannheimer Tal über den Gaichtpass zur Ortsmitte von Nesselwängle. Hier geht es rechts auf den gebührenpflichtigen Wanderparkplatz.
  • Schwierigkeit: UIAA: 8, 8-/8, 8-, 8, 5+, 7+, 8+, 8, 3, 7- / 250 Meter
  • Ausrüstung: Alpine Kletterausrüstung

 

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