Es kribbelt bereits in den Fingern als wir der kleinen, gut asphaltierten Straße zum Parkplatz der legendären Gran Cova folgen. Dort angekommen, sind es fünf Gehminuten einen geschlungenen Feldweg entlang zum schwersten Klettergebiet der Welt. Nach der letzten Biegung wird der obere Teil der Höhle erkennbar. Sofort steigt die Spannung. Die Schritte werden schneller. Nach zwei weiteren Gehminuten steht man vor der 180 Grad geöffneten, riesigen Höhle. Die Gran Cova von Santa Linya erinnert an ein Kolosseum – ein wahres Kletterkolosseum!
Das Klettergebiet Santa Linya
Santa Linya liegt zwei Autostunden nordwestlich von Barcelona. Die Höhle ist mit bis zu 60 Meter Höhe und 100 Meter Breite gigantisch groß. Teilweise hängen die Wände bis zu 70 Grad über. Der rötliche Kalkfelsen ist sehr kompakt und versintert. Hier erwarten euch rund 120 Sportkletterrouten in den Schwierigkeitsgraden 7a bis 9b. Über 20 Routen im französischen 9. Grad machen Santa Linya zum schwersten Klettergebiet der Welt. Wohl fühlt sich, wer 8a klettert.
- Lesetipp: Schwierigkeitsgrade beim Klettern
Die beste Jahreszeit zum Klettern in Santa Linya
Die beste Zeit ist von Oktober bis April. In den Wintermonaten kann es nebelig sein. Während der heißeren Jahreszeit kann dagegen geklettert werden, denn in der Höhle ist es angenehm kühl. Achtung: Von Mitte Juni bis Mitte August ist die Höhle wegen archäologischen Ausgrabungen gesperrt.
Je nach Jahreszeit steht die Sonne anders in der Wand. Im Frühling befinden sich zum Beispiel der rechte Wandteil vormittags und der linke Wandteil nachmittags im Schatten. Auf den hinteren Teil der Höhle scheint keine Sonne. Ergo: Ihr könnt den ganzen Tag klettern und die Pausen in der Sonne genießen.
Besonderheiten des Klettergebiets
Wer viele Klettervideos gesehen hat, erkennt die Gran Cova sofort. Ein irres Gefühl, hier nun selbst zu stehen! Die Kletterei ist steil, athletisch und erfordert eine gute Physis. Das Gelände ist abdrängend. Geklettert wird an Leisten, runden Auflegern und Sinterzangen. Meist weisen die Touren eine oder mehrere harte Einzelboulderstellen auf. Die Wandneigung saugt ordentlich Strom. Zupacken muss man hier überall, selbst in den Aufwärmrouten. In der Höhle gibt es eine 7a und zwei bis drei 7b/+ zum Aufwärmen. Alle sind beim ersten Mal steil und knackig. Achtung vor Kaltpump am ersten Tag! Viele Kletterer wärmen sich an einem mitgebrachten Griffbrett auf oder traversieren einige Meter am Wandfuß entlang.
Fühlt man sich nach dem ersten Klettertag im Überhang platt, empfiehlt sich ein weniger steiles, jedoch nicht weniger lohnendes Klettergebiet für den zweiten Tag: Terradets und Camarasa liegen ungefähr 30 Kilometer entfernt. Die Fahrt führt durch die wunderschöne Berg- & Schluchtenlandschaft entlang am Rio Segre.
In der Gran Cova lebten bereits Neandertaler, daher ist die Höhle heute eine bedeutende archäologische Fundstätte, in der immer noch Ausgrabungen stattfinden. Gewisse Bereiche sind daher eingezäunt und für Kletterer gesperrt. Bitte respektiert die Zäune! Die Locals kämpfen darum, dass die Höhle nicht vollständig gesperrt wird.
Die richtige Ausrüstung für die Reise
Chris Sharmas Kingline, Neandertal (9b), verläuft einmal genau durch den steilsten Teil der Höhle. Diese Route ist 50 Meter lang, Abseilen erfolgt über 30 Meter – mit einem 80 Meter Seil könnt ihr in Santa Linya also alles klettern. Für die meisten Routen reicht allerdings ein 60 Meter-Seil.
In den meisten Touren hängen bereits Exen. Diese können allerdings bis zu zehn Jahre alt sein. Bitte den Zustand unbedingt überprüfen! Mit zehn eigenen Exen seid ihr auf der sicheren Seite.
Der nächste Kletterladen, Decathlon, befindet sich in Lleida (Fahrtzeit: 45 Min). Im Klettterführer „Lleida Climbs“ sind die Topos für Santa Linya, Terradet, Camarasa und weitere Gebiete zu finden.
Anreise
Am praktischsten ist ein ausgebauter Bus. Der Parkplatz der Gran Cova bietet genügend Platz. Wer mit dem Flugzeug kommt, reist nach Barcelona und nimmt von dort einen Leihwagen. Bis Santa Linya sind es zwei Stunden. Zur Gran Cova biegt man kurz vor dem Ort Santa Linya rechts in eine kleine, beschilderte Straße ab und folgt dieser steil bergab zum Parkplatz. Flüge gibt es ab 100 Euro. Ein Leihwagen kostet zwischen 5 bis 25 Euro pro Tag.
Übernachtungsmöglichkeiten
Mit eurem Bus könnt ihr direkt auf dem Parkplatz der Gran Cova stehen. Der ist allerdings nicht ganz eben. Wer etwas Kies aufschüttet, hat schnell einen geraden Schlafplatz gefunden. Der Parkplatz des Sektors Futbolín ist ebener und bekommt länger Sonne. Dafür liegt dieser direkt an der Straße. Busreisende können in St Llorenc de Montgai auf dem Campingplatz la Noguera für 2,50 Euro duschen (unbegrenzt Warmwasser). In der nächsten größeren Stadt Balaguer (20 Minuten Fahrzeit) finden sich Hostels, Hotels und Airbnb-Unterkünfte. Die Preise sind saisonabhängig.
Verpflegung in Santa Linya
Santa Linya besteht aus ein paar angesiedelten Häusern, einen Supermarkt gibt es hier nicht. In Balaguer finden sich zahlreiche Supermärkte, Bäcker, Metzger, Restaurants und Eisdielen.
Wasser bekommt man in Santa Linya von einem kleinen Brunnen. Müll kann problemlos in den örtlichen Containern 100 Meter neben dem Wasserbrunnen entsorgt werden.
Das kannst Du noch in Santa Linya machen
Santa Linya ist das Zuhause der starken Kletterer. Wir haben am ersten Tag nicht schlecht gestaunt, Daniel Woods und Sachi Amma bei einer Siesta in der Sonne anzutreffen. Man kommt schnell mit den Pro-Climbern ins Gespräch und unterhält sich nett. Die Atmosphäre in der Höhle ist überhaupt sehr freundlich und gesellig. Wir genießen es, den Durchstiegsversuchen der Profis zuzuschauen. Gerade Sachi Ammas geschmeidiger und eleganter Kletterstil beeindruckt, als er Stoking the Fire (9b) hinaufgleitet.