Klettersteiggehen ist voll im Trend: Bereits seit vielen Jahren wird die Anzahl der „Ferratisti“, wie sich Geher von Klettersteigen auch gerne bezeichnen, immer größer. Denn auf einem Klettersteig kannst Du Dich – auch ohne ein extremer Kletterer oder Bergsteiger zu sein – mit einem Klettersteigset gut gesichert in senkrechte Felswände wagen.
Was ist ein Klettersteig?
Meist beginnt man das Klettersteiggehen auf gesicherten Wegen. Wunderschöne Wanderwege und Klettersteige in den Dolomiten, früher von den Alpini (den italienischen Soldaten) zum Ausbau von Kriegsstellungen erbaut, erfreuen heute jedes Klettersteigherz aufs Neue. Allerdings gibt es tatsächlich unterschiedliche Arten von Klettersteig-Schwierigkeiten:
- Versicherte Steige: Einfache Wanderwege mit stellenweise gesicherten Passagen bezeichnet man als versicherte Steige. Meist handelt es sich hierbei um kleinere Gipfelanstiege, wo Trittsicherheit und Schwindelfreiheit zwar von Vorteil sind, aber nicht zwingend Klettersteigausrüstung benötigt wird – je nach Fähigkeiten, Wetterbedingungen, etc.
- Klassische Klettersteige: Diese Variante existiert in sämtlichen Schwierigkeitsgraden und ist deshalb sowohl für Anfänger als auch Fortgeschrittene geeignet. Im Gegensatz zum nur teilweise versicherten Steig verfügen klassische Klettersteige über ein durchgängiges Drahtseil mit Zwischensicherungen und werden zudem häufig mit Eisentritten, Leitern oder Seilbrücken versehen.
- Sportklettersteige: Bei den Sportklettersteigen ist dann schon etwas mehr Muskelkraft gefragt, aber vor allem die richtige Technik – denn sie befinden sich meist in ausgesetztem Gelände und verlaufen oft sogar durch Überhänge. Auch hier verläuft ein durchgängiges Drahtseil als Sicherung, jedoch wird meist auf helfende Zusatztritte verzichtet. Ungeübte Personen sollten also anfangs lieber die Finger von solchen Routen lassen. Natürlich kommt es auch hier auf die differenzierte Schwierigkeit des Klettersteigs an. So ist zum Beispiel ein sportlich bewerteter Klettersteig wie die Via Attrezzata Rino Pisetta auf den Dain Picolo am Gardasee ein wesentlich schwererer Sportklettersteig als der Klassiker auf die Alpspitze.
Bei der riesigen Auswahl an Kettersteigen allein in den Alpen bedarf es guter Bergliteratur, um sich erst einmal einen groben Überblick der verschiedenen Regionen und unzähligen Klettersteig-Routen mit all ihren Schwierigkeitsstufen zu verschaffen.
Wie kann ich Klettersteiggehen lernen?
Klettersteiggehen ist grundsätzlich nicht schwer, doch einige Klettersteig-Regeln solltest Du auf jeden Fall beachten. Denn ein Fehler an falscher Stelle kann fatale Folgen haben. Deshalb empfiehlt sich immer eine solide Grundausbildung. Hier genügt schon ein intensiver zwei- bis dreitägiger Klettersteigkurs in der Obhut eines staatlich geprüften Berg- und Skiführers.
Die wichtigsten Grundprinzipen auf Klettersteigen
- Niemals stürzen!
- Zu jedem Zeitpunkt gesichert sein!
- Risiken erkennen, ansprechen und vermeiden!
Letzteres auch dann, wenn Du Dich der Sache hundertprozentig sicher bist. Denn meist sind die kleinen Flüchtigkeitsfehler jene mit der schlimmsten Auswirkung. Aber auch Fremdeinwirkung (z.B. Steinschlag) durch vorausgehende Klettersteiggeher kann nie ausgeschlossen werden.
Bergzeit
3 Dinge, die Du beim Klettersteiggehen beachten musst
Natürlich soll jede Tour in den Bergen vor allem Spaß machen, doch Sicherheit bleibt immer das oberste Gebot. Wenn Du beim Klettersteiggehen ein paar grundsätzliche Regeln beachtest, dann sind die Chancen hoch, dass Deine Erlebnisse in guter Erinnerung bleiben.
1. Helm auf und Anseilen beim Klettersteiggehen
Auf das richtige Befestigen des Klettersteigsets am Gurt kommt es beim Klettersteiggehen an. Denn wer sich in der Hektik fehlerhaft einbindet, gefährdet sich selbst.
Am Klettersteig-Einstieg angekommen, solltest Du zunächst nach einem geeigneten und sicheren Platz Ausschau halten. Dieser muss genügend Raum zum Anlegen der Klettersteigausrüstung bieten und vor allem vor Steinschlag schützen. Aufgrund möglichen Steinschlags solltest Du immer rechtzeitig den Klettersteighelm aufziehen, am besten bevor Du Dich an den Wandfuß begibst.
Für einen optimal passenden Klettersteiggurt empfiehlt sich je nach Größe und Konstitution des Ferratistis ein Sitzgurt mit verstellbaren Beinschlaufen. So kannst Du je nach Wetterlage mit einer dünnen Kletterhose oder aber mit einer dickeren Regenhose unterwegs sein. Das Klettersteigset wird nun durch die zentrale Anseilschlaufe des Klettergurts gezogen und mittels Ankerstichknoten eng zugezogen.
2. Partnercheck
Eigentlich kann es jetzt losgehen – doch ohne Kontrolle des Partners solltest Du nie in den Klettersteig einsteigen! Vier Augen sehen mehr als zwei – und im Eifer des Gefechts ist doch schon so manches unentdeckt geblieben. Vier wesentliche Punkte sorgen für mehr Sicherheit:
- Klettergurt richtig angelegt und alle Schlaufen geschlossen?
- Klettersteigset richtig angelegt?
- Helm richtig angelegt und verschlossen?
- Erste Hilfe-Set und Notfall-Handy im Rucksack?
Zu guter Letzt noch Zeitplan und Wetter checken und es kann losgehen!
3. Umhängen
Je nach Land – und vor allem je nach Verantwortungsgefühl der Klettersteig-Erbauer – sind Klettersteige in einem guten oder in einem weniger guten Zustand. Die Technik, mit denen heutzutage Klettersteige errichtet werden, ist jedoch sehr ausgereift. Mit Verankerungsstiften aus Eisen werden die Drahtseile am Felsen befestigt. Diese sind je nach Geländestruktur etwa drei bis zehn Meter voneinander entfernt und verhindern das Weiterschieben der Klettersteigkarabiner. Hier muss nun aktiv umgehängt werden.
Zum Umhängen nimmst Du einen Klettersteigkarabiner heraus und hängst diesen in den nächsten Drahtseilabschnitt. Während dieses Vorgangs bist Du immer noch am zweiten, hinteren Karabiner gesichert! Jetzt kann der zweite Karabiner ausgeklinkt und in den vorderen Abschnitt eingeklinkt werden. Mit dieser Methode bist Du zu jeder Zeit gesichert.
Bergzeit
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Podcast-Tipp: Tipps für Klettersteig-Einsteiger
In dieser Beratungsfolge des Bergzeit Podcast hörst Du, welche Ausrüstung und Grundkenntnisse Du als Einsteiger benötigst:
Die Technik beim Klettersteiggehen
Im Mittelpunkt des Klettersteiggehens steht die Kontrolle des Körperschwerpunktes. Genau wie auch beim Sportklettern muss der Körperschwerpunkt zur Seite verlagert werden, um in der Abfolge mit den Füßen ruhig und kontrolliert weiter nach oben antreten zu können. Hierfür wird der auf einem stabilen Tritt stehende Fuß belastet. Das ermöglicht dem freistehenden Bein das Höhersteigen. Gerade dieser Bewegungsablauf ist in der Umsetzung im Felsgelände am Klettersteig nicht immer einfach und sollte vorab intensiv geübt werden.
- Lesetipp: Mein erster Klettersteig am Grünstein
Ein weiterer Aspekt, der das Üben der Gewichtsverlagerung unterstreicht, ist die Tatsache, dass beim Klettersteiggehen je nach Charakter des Steiges meist mit robusten und stabilen Bergschuhen gegangen wird. Spezielle Kletterschuhe mit guter Reibung, wie man sie beim Sportklettern trägt, benötigt man nur in wirklich sportlich anspruchsvollen Klettersteigrouten.
Hieraus ergibt sich auch der wesentliche Unterschied vom Klettersteiggehen zum eigentlichen Klettern: Beim Klettersteiggehen ist der Routenverlauf durch das Drahtseil vorgegeben, das auch das aufwendige Suchen nach Tritten und Griffen erspart.
Was sind typische Fehler am Klettersteig?
❌ Falsches Einhängen: Leider sieht man immer wieder die Methode, dass nur ein Bandschlingen-Arm des Klettersteigsets und damit nur ein Karabiner am Drahtseil eingehängt wird. Die Motive sind sicherlich weitläufig. Entweder ist es Unwissenheit, meist jedoch Leichtsinn – frei nach dem Motto: „Mir kann nichts passieren, ich habe alles im Griff.“ Doch weit gefehlt! Mit nur einem Karabiner gesichert, kann bei einem Sturz das Klettersteigsystem reißen. Achte darauf immer und zu jeder Zeit mit zwei Karabinern gesichert sein!
Falsches Einhängen, falsches Umhängen: Jedes Jahr zeigen Unfälle an Klettersteigen, dass gerade den „Erfahrenen“ solche Fehler passieren.
❌ Falsches Umhängen: Meist aus Zeitgründen werden an den Klettersteig-Zwischensicherungen die beiden Karabiner nicht einzeln umgehängt, sondern gleichzeitig. Auch hier bedarf es lediglich einer kleinen Unachtsamkeit. Du verlierst kurz das Gleichgewicht, rutschst von seinem Tritt ab oder wirst von einem Stein getroffen – und schon fällt man in die Tiefe.
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Was mache ich, wenn…
In den meisten Klettersteigen ist die Laufrichtung klar vorgegeben. Es geht entlang dem Stahlseil über Leitern, Klammern oder anderen Tritthilfen, bis der Ausstieg und damit wieder „normales“ Gehgelände erreicht ist. Doch gerade weil der Streckenverlauf recht geradlinig vorgegeben ist, kann es unterwegs zu unerwarteten Situation kommen, denen Du Dich unausweichlich stellen musst.
Was mache ich bei Gegenverkehr oder Überholen?
Wenn nachfolgende Klettersteiggeher schon so dicht an Deinen Fersen hängen, dass an ein entspanntes Kraxeln nicht mehr zu denken ist, dann solltest Du einen kontrollierten Überholvorgang einleiten. Das gelingt am Besten – und sichersten! – in breiten und möglichst flachen Passagen des Klettersteigs.
Während Du Dich dicht zum Stahlseil an die Seitenwand stellst, kann die überholende Person einen Karabiner nach dem anderen im Drahtseil vor Dir einhängen. Ebenso klappt es auch bei entgegenkommenden Ferratisti. In beiden Fällen kann klare Kommunikation über den Überholplan die Situation sofort etwas entspannen.
Was mache ich bei Steinschlag?
Egal wie kompakt der Fels ist, mit Steinschlag muss immer gerechnet werden. Egal ob ausgelöst durch vorausgehende Klettersteiggeher, aufgescheuchte Tiere oder einen Windstoß. Sobald Du die Gefahr bemerkst ist entscheidend, dass Du Dich sofort möglichst nahe an die Wand presst und im Idealfall unter einem Felsvorsprung in Deckung gehst.
Achtung Stein!
Und sollte es Dir passieren, selbst einen Stein in Bewegung zu setzen, dann ist es wichtig nachsteigende Personen so eindringlich wie möglich vor der herabfallenden Bedrohung zu warnen. Dabei hilft es auch sich vor der Tour zu erkundigen, wie in der jeweiligen Landessprache vor Steinschlag gewarnt wird.
Ich brauche eine Pause – kann ich mich im Klettersteigset ausruhen?
Das Klettersteigset dient grundsätzlich nur der Sicherung und dem Abbremsen von Stürzen. Durch eine regelmäßige Belastung beim „Reinsetzen“ können die Sollbruchstellen des Bandfalldämpfers schon vor einem eventuellen Sturz beschädigt werden, was im Notfall zu einer verminderten Bremswirkung führt. Sollten die Kräfte wirklich einmal schwinden, empfiehlt es sich, stattdessen eine Bandschlinge mit Schraubkarabiner mitzuführen und diese zum Ausruhen ins Stahlseil einzuhängen.
👉 Achtung: Manche Klettersteigsets verfügen über eine separate „Ruheschlaufe“ – diese darf nur zum Ausruhen verwendet werden und niemals während dem Steigen am Drahtseil verbleiben!
Was passiert, wenn ich stürze?
Im Falle eines Sturzes fällt der Betreffende nahezu ungebremst in die nächste Zwischensicherung – sie bremst die Energie des Sturzes an den eingehängten Karabinern ab. Trotz Bandfalldämpfer ist der Fangstoß häufig hart und mit schweren Verletzungen verbunden. Deshalb gilt: Niemals absichtlich ins Klettersteigset fallen lassen!
👉 Wichtig: Nach einem Sturz und vor dem nächsten Einsatz am Klettersteig muss der Bandfalldämpfer ausgetauscht werden!
Was mache ich bei einem plötzlichen Wetterumschwung?
Gerade war der Himmel noch blau mit strahlendem Sonnenschein. Doch vor allem im Gebirge kann sich die Wetterlage innerhalb weniger Minuten stark verändern. Plötzlich kommt kräftiger Wind auf, schwarze Wolken hängen drohend vom Himmel und Donnergrollen lässt einem bereits das Blut in den Adern gefrieren. Jetzt heißt es erstmal: Ruhe bewahren und die möglichen Optionen abwägen!
- Wie komme ich so schnell wie möglich in weniger exponiertes Gelände?
- Ist es noch weit bis zum Ende des Klettersteigs?
- Macht es Sinn umzukehren und abzusteigen?
- Gibt es einen Notausstieg, über den ich in flacheres Gelände gelangen kann?
- Und wenn Du in der Wand verharren musst: Wo bin ich am besten geschützt vor Steinschlag und Regen?
- Weitere Verhaltenstipps bei Unwetter und Gewitter in den Bergen.
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Ausrüstung für den Klettersteig: Das solltest Du wissen
- Was ist ein Klettersteigset und wie bediene ich es richtig? Alle Antworten rund um die richtige Klettersteig-Technik findest Du in diesem FAQ-Magazinbeitrag: 7 Fragen zu Klettersteigsets – Einsatzbereich, Bedienung & Haltbarkeit
- Neben einem der gängigen Norm entsprechenden Klettersteigset, der mit Deinem Klettergurt verbunden wird, benötigst Du einen klettertauglichen Multifunktionsschuh und einen Kletterhelm. Wir empfehlen außerdem Handschuhe, die Deine Hände vor dem rauen Stahlseil schützen. Hier findest du eine übersichtliche Packliste zum Klettersteiggehen.
- Für den Klettersteig benötigst Du Gurt und Helm – doch alles andere unterscheidet sich. Zur Selbstsicherung benötigst Du ein Klettersteigset. Da Du nicht nur Vertikalen unterwegs bist, brauchst Du außerdem andere Schuhe, mit denen Du normal gehen kannst.
- Die wichtigsten Infos zur Klettersteig-Ausrüstung findest Du in unserer Packliste.
Toll, dass Du den Beitrag bis hier gelesen hast, um Dir Grundwissen zum Klettersteiggehen anzueignen. Trotzdem müssen wir ganz klar darauf hinweisen, dass das Lesen jeglicher Tipps keinen durch geschulte Bergführer geführten Kurs ersetzen kann. Wenn Du Dir unsicher fühlst, dann empfiehlt es sich in jedem Fall, einen Klettersteigkurs zu buchen.
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