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Die Zukunft des Winters

Klimawandel: Kann man in 20 Jahren noch Ski fahren?

Von Lea Hartl
6 Minuten Lesezeit
Der Klimawandel beeinflusst auch die Winter in den Alpen. Meteorologin Lea Hartl erläutert, wie sich Schnee und Temperatur in den kommenden Jahrzehnten verändern werden und was das für uns als Wintersportler bedeutet.

Wer gern im Schnee unterwegs ist, weiß: Es gibt bessere und schlechtere Winter. Manchmal will die Saison einfach nicht anfangen, manchmal schneit es schon im Oktober, manchmal hat es in den Südalpen dauernd Powder und im Norden nicht oder umgekehrt. Ist das normal oder hat der Klimawandel etwas damit zu tun? Und wie sieht die Zukunft der Winter aus?

Wann es wo wieviel Schnee gibt, schwankt naturgemäß von Saison zu Saison stark. Die Variabilität ist beim Niederschlag höher als bei der Temperatur, aber beide Parameter haben eine gewisse natürliche zeitliche und räumliche Schwankungsbreite.

Durch die Klimakrise gibt es bei der Temperatur neben den kurzfristigen Schwankungen auch einen sehr deutlichen, langfristigen Trend: Es wird wärmer.

Trotz aller natürlichen Schwankungen ist sicher: Es wird wärmer und damit werden auch die Gelegenheiten zum Skifahren seltener - besonders für Freerider.

Bergzeit

Trotz aller natürlichen Schwankungen ist sicher: Es wird wärmer und damit werden auch die Gelegenheiten zum Skifahren seltener – besonders für Freerider.


Am Schweizer Säntis (2.501 Meter) beispielsweise ist die Wintertemperatur seit Beginn der Messungen im Jahr 1864 um 1,4 Grad Celsius gestiegen, wobei der Anstieg seit Ende der 1980er Jahre besonders deutlich ist. Daten von Wetterstationen in Österreich und Deutschland belegen ähnliche Trends.

Bei der Niederschlagsmenge sind langfristige Veränderungen weit weniger eindeutig. Hier dominiert meistens die natürliche Variabilität und – anders als bei der Temperatur – lässt sich nicht klar und pauschal sagen, ob der Niederschlag im Alpenraum insgesamt zu- oder abnimmt.

Wird es in Zukunft noch Schnee geben?

Selbst bei gleichbleibenden Niederschlagsmengen im Winter spüren wir jedoch am Schnee die Auswirkungen der klimatischen Veränderungen: Durch die steigenden Temperaturen steigt auch die Schneefallgrenze: Es regnet, wenn es früher vielleicht geschneit hätte, und wenn es dann mal schneit, schmilzt der gefallene Schnee schneller wieder1.

Die zukünftige Schneesituation in Österreich im Szenario

ZAMG & Sabine Tschürtz

Die zukünftige Schneesituation in Österreich im Szenario „Der ‚unvermeidbare‘ Klimawandel“ bei Erreichen des Zwei-Grad-Ziels.


Die oben stehende Infografik gibt es auch als interaktive Grafik, mit der sich die vergangenen und zukünftigen Schneesituationen Österreichs anhand von drei Szenarien vergleichen lassen. Neben dem hier gezeigten Szenario des „unvermeidbaren“ Klimawandels gibt es ein Worst Case Szenario und ein vergangenes Szenario als Referenzvergleich.

Eine Schweizer Studie2 schlüsselt genau auf, wie sich die Schneebedeckung an Wetterstationen im Gebirge seit 1970 verändert hat: Nicht nur die maximale Schneehöhe nimmt ab, die Schneesaison wird auch kürzer. Das zeigt sich vor allem im Frühjahr, da die Ausaperung bei geringeren Gesamtschneehöhen schneller vonstatten geht.

Die Auswirkungen des Klimawandels auf den Schnee sind schon heute deutlich spürbar.

Der Schnee verschwindet an den untersuchten Stationen im Schnitt um fünf bis sechs Tage pro Dekade früher, somit ist die Schneesaison seit 1970 also je nach Standort um etwa einen Monat kürzer geworden3.

Für Österreich hat die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik berechnet, dass die Dauer der Schneedecke über alle Höhenlagen und die Fläche des Landes gemittelt seit 1961 um 40 Tage abgenommen hat. In München gibt es heute im Schnitt 20 Tage mit Schneedecke weniger als in den 1950ern1. Die Auswirkungen des Klimawandels auf den Schnee sind also keine Zukunftsmusik, sondern schon heute deutlich spürbar.

Skifahren wird in 20 Jahren zwar noch möglich sein, aber die Schneesaison wird langfristig kürzer werden, vor allem in tieferen Lagen.

Unsplash

Skifahren wird in 20 Jahren zwar noch möglich sein, aber die Schneesaison wird langfristig kürzer werden, vor allem in tieferen Lagen.


Wie sehen die Winter der Zukunft aus?

Die Zukunft der Winter hängt davon ab, ob und wie schnell es gelingt, die globalen Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Für Österreich zeigen Berechnungen, dass es im Jahr 2100 in tiefen Lagen kaum noch Schnee geben wird, wenn keine weitreichenden Klimaschutzmaßnahmen ergriffen werden3.

Auf 1.000 Metern würde die Dauer der Schneedecke um 70 Prozent abnehmen, damit bleiben in dieser Höhenlage nur etwa 30 Tage pro Winter mit Schnee. Gelingt es, die Ziele des Pariser Klimaabkommens einzuhalten, bleiben hingegen rund 60 Tage.

In größeren Höhen ist die Abnahme der Schneemengen und der Länge der Schneesaison geringer, da hier die Temperaturen auch bei einem weiteren Anstieg noch entsprechend häufiger unter dem Gefrierpunkt bleiben. Dennoch ist auch im Bereich von 1.500 bis 2.500 Metern mit einer Abnahme der Schneedeckendauer um 25 Prozent zu rechnen, sofern keine Maßnahmen ergriffen werden.

Skigebiete: Ist Kunstschnee die Lösung?

Seit der Erfindung der Schneekanone haben Skigebiete die Möglichkeit, Schwankungen bei der Schneemenge und beim Timing der Schneefälle auszugleichen, wodurch neben der viel beworbenen “Schneesicherheit” in erster Linie Planungssicherheit geschaffen wird. Dank der Beschneiung haben sich nicht nur Skigebietsbetreiber sondern auch viele Wintersportlerinnen in den letzten rund 30 Jahren daran gewöhnt, dass die Saison verlässlich im November anfängt und die Pistenbeschaffenheit immer mehr oder weniger gleich ist.

Kunstschnee hilft gegen Wetterkapriolen, nicht gegen Klimaveränderung.

Kunstschnee bzw. technischer Schnee war und ist in erster Linie dazu gedacht, die Abhängigkeit der Skigebiete von den natürlichen Wetterschwankungen zu mindern. Gegen die langfristigen klimatischen Trends kommen Schneekanonen nicht an. Um technischen Schnee zu erzeugen, muss die Feuchtkugeltemperatur (Temperaturgröße, die auch die Luftfeuchtigkeit mit einberechnet) unter etwa minus zwei Grad Celsius liegen. Mit steigenden Temperaturen verschlechtern sich somit auch die Bedingungen für die Kunstschneeproduktion. Einfach gesagt: Wenn es zu warm ist, funktioniert es nicht.

Mit der Schneekanone kann trotz Schneeschwankungen der Saisonbetrieb in den Skigebieten gesichert werden - solange es nicht zu warm ist.

Unsplash

Mit der Schneekanone kann trotz Schneeschwankungen der Saisonbetrieb in den Skigebieten gesichert werden – solange es nicht zu warm ist.


Berechnungen zeigen, dass sich auf etwa 1.000 Metern Höhe die mögliche Beschneiungszeit um rund die Hälfte reduziert. Bei Einhaltung der Pariser Klimaziele liegt die Abnahme bis zum Jahr 2100 nur bei zehn bis 15 Prozent³.

Um genug technischen Schnee für den Saisonstart zu produzieren, brauchen Skigebiete mit entsprechend ausgebauter Infrastruktur meist nur ein paar Tage. In tiefen und mittleren Höhenlagen, wo es bereits jetzt hin und wieder im Herbst und Frühwinter für eine Beschneiung zu warm ist, können dennoch auch relativ geringe Abnahmen in den möglichen Beschneizeiten für den Betrieb problematisch sein. In höheren Lagen sind die Auswirkungen deutlich geringer.

Was bedeutet der Klimawandel für unseren Wintersport?

Als Wintersportler und Wintersportlerinnen werden wir auch in Zukunft einerseits die “normalen” Schwankungen erleben und andererseits die übergeordneten, klimatischen Trends. Letztere werden sich bei voranschreitender Klimakrise immer stärker auf das Erlebnis Winter auswirken, wobei tiefe und mittlere Höhenlagen – zum Beispiel auch Mittelgebirge – besonders stark betroffen sind.

Es wird nach wie vor bessere und schlechtere, schneereichere und trockenere Winter geben – das ist die natürliche Variabilität.

Aber je wärmer es wird, desto seltener wird es möglich sein, im Tal einen Schneemann zu bauen, auf Naturschnee lang zu laufen oder auf 1.000 Meter Seehöhe eine Skitour zu starten – das ist der klimatische Trend.

Im Hochgebirge bleibt uns der Schnee zwar grundsätzlich erhalten, aber auch hier wird die Saison tendenziell kürzer und die Wahrscheinlichkeit für Regenereignisse bis in hohe Lagen im Winter nimmt zu. Es ist nicht auszuschließen, dass sich durch die Veränderungen des globalen Klimasystems auch die Häufigkeit bestimmter Wetterlagen ändert, was wiederum Auswirkungen auf die Schneeverteilung im Alpenraum haben könnte. Ob das der Fall ist bzw. wie das genau aussieht, ist noch nicht definitiv geklärt und Gegenstand aktueller Forschung.

Langfristiger Trend: Je wärmer es wird, desto seltener wird es möglich sein, im Tal einen Schneemann zu bauen oder Wintersport auf Naturschnee zu betreiben.

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Langfristiger Trend: Je wärmer es wird, desto seltener wird es möglich sein, im Tal einen Schneemann zu bauen oder Wintersport auf Naturschnee zu betreiben.


Fazit: Wir müssen jetzt handeln

Die Sorge um die Zukunft des Wintersports ist durchaus berechtigt. Es ist dabei aber wichtig, sich immer wieder bewusst zu machen, dass wir als Gesellschaft die Auswirkungen der Klimakrise begrenzen können, indem wir die Treibhausgasemissionen schnell und drastisch reduzieren.

Die Winter haben sich in den letzten Jahrzehnten bereits verändert. Wie sehr sie sich in Zukunft noch verändern werden, hängt von uns ab.

Quellennachweis:

1 Meteo Schweiz
2 Klein, G., Vitasse, Y., Rixen, C. et al. Shorter snow cover duration since 1970 in the Swiss Alps due to earlier snowmelt more than to later snow onset. Climatic Change 139, 637–649 (2016).
3 Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik

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