Reinhold Messner bezeichnete Gipfelkreuze ja schon vor ein paar Jahren als „Humbug“. Aber dieser Humbug steht jetzt nun einmal auf unseren Alpengipfeln und dann kann man ihn doch wenigstens dafür nutzen, coole Fotos für Instagram & Co. zu schießen, oder nicht?
Der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke widersprach Messner damals in der Gipfelkreuz-Debatte und betonte die Schöpfer-Symbolik der Kreuze: „Wer keinen Gottesbezug hat, der kann zumindest diese Botschaft mitnehmen: Die Natur gehört nicht mir.“
Jetzt könnte man dem natürlich entgegenhalten, dass Gipfelkreuze ja nicht die Natur sind, sondern vielmehr ein menschengemachter Eingriff in ebendiese – so wie auch Messner seine Ablehnung gegenüber den Kreuzen erklärt hatte.
Sandra Grünewald | Unsplash
Das Problem liegt nicht beim Kreuz
Natürlich darf man von Gipfelkreuzen und Bischöfen halten was man will, aber in dem Satz „Die Natur gehört nicht mir“ sind sich die Kontrahenten Messner und Hanke ja doch irgendwie einig. So gesehen, liegt das Problem also gar nicht beim Kreuz, sondern im mangelnden Respekt vor der Natur. Die Frage ist also vielmehr: Wenn jemand für ein Foto auf ein Gipfelkreuz klettert, was tut er oder sie in den Bergen sonst noch, um an ein außergewöhnliches „Pic“ zu kommen?
Ein gewöhnliches Selfie vor dem Gipfelkreuz reicht schon lange nicht mehr aus, um die Follower hinter dem Ofen – oder hinter ihren Smartphones – hervorzulocken. Da braucht es bitte etwas mehr Action und Einzigartigkeit. Und so steht bei manchem Ausflug in die Berge nicht mehr das Naturerlebnis oder die sportliche Herausforderung selbst im Mittelpunkt, sondern vielmehr deren Inszenierung.
Die Bewertung einer Bergtour bemisst sich an ihrer Profilbildtauglichkeit und an der Anzahl ihrer Likes.
Dass man für das perfekte Insta-Foto auch mal in ein Naturschutzgebiet eindringen oder sich in eine nicht ganz ungefährliche Situation begeben muss? So what – wenn am Ende doch die Likes stimmen und das gute Gefühl da ist, Beachtung geschenkt zu bekommen in dieser weiten Welt. Nur der Hashtag #naturlove mag nicht so richtig dazu passen.
Bergzeit
Natürlich habe auch mich schon manches Mal dabei erwischt, dass ich mein Smartphone nur aus dem Rucksack geholt habe, um ein möglichst cooles Bergbild für Instagram oder WhatsApp zu machen. Gut, ich gebe zu, viel kam dabei nicht raus – meine Anhängerschaft bei Insta & Co. ist zumindest recht überschaubar. Ich schätze, meinen Bilder fehlt etwas der Pfiff – wie ich zum Beispiel kopfüber vom Gipfelkreuz hänge und in die Kamera winke.
Die Angst etwas zu verpassen
Klar, über Herzchen und Likes freue auch ich mich. Dennoch kommt mir in letzter Zeit, wenn ich mein Smartphone zum Fotografieren auf einer Tour heraushole, manchmal noch ein anderer Gedanke: Verpasse ich nicht gerade etwas? Dabei ist es nicht die Angst, ein gutes Fotomotiv zu verpassen, sondern eher den Genuss des Augenblicks. Kann ich das Hier und Jetzt in der Natur wirklich genießen, wenn ich nur daran denke, wie es bei Instagram & Co. wirkt?
Eigentlich sind es doch die Berge, die mich glücklich machen – nicht die Bilder davon. Diesen Augenblick draußen in der Natur sollten wir genießen und das geht nun mal nicht gut am Handybildschirm. Achtsamkeit ist das Gebot der Stunde. Das mag abgedroschen klingen, aber hilft trotzdem – nicht nur uns selbst, sondern manchmal auch der Natur.
Ein Eintrag im Erinnerungsalbum
Ein Erinnerungsfoto darf natürlich trotzdem sein – aber wenn Du Dir das später anschaust und das Gefühl hast, diesen Augenblick voll und ganz dort gewesen zu sein, macht das auf jeden Fall glücklicher als alle Likes und Herzchen dieser Welt.
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