Ich hatte mal einen Kumpel, der sich so über sein neues Paar Ski freute, dass er es am ersten Abend direkt mit ins Bett genommen hat. Oh ja, die Freeride Ski und er haben sich 140 cm Federkernmatratze geteilt. Eine Freundin hatte er damals nicht. Vielleicht weiß man jetzt auch warum. Ob zwischen Ski und ihm an diesem Abend etwas vorgefallen ist? Wohl eher kaum. Doch er hat sich so zu den Ski hingezogen gefühlt, dass er sie die ersten Stunden einfach ganz nah neben sich haben wollte.
Die eine, die eine oder keine
Ganz abgesehen davon, dass Ski eigentlich nicht die kuscheligsten Zeitgenossen sind und dass frisch geschliffene Stahlkanten wohl markantere Liebesmahle als die dunkelsten Knutschflecke hinterlassen würden, wäre ich nie auf die Idee gekommen meine Ski mit in mein Bett zu nehmen. Geschweige denn ein anderes Sportgerät. Obwohl ich viele meiner Sportgeräte sehr gerne habe. Allen voran mein Mountainbike. Es ist mein Adventurebuddy, mein treuester Begleiter unterwegs. Und doch gibt es einen Ausrüstungsgegenstand, der sogar diese Beziehung schlägt. Ohne viel technischen Schnickschnack und würde man pragmatisch argumentieren, wäre es wohl bloß ein Stück Kautschuk.
Doch für mich ist es MEINE Yogamatte. Andere Yogis und Yoginis würden Dir bestätigen, dass man eine Yogamatte nicht mit einer bloßen Gymnastikmatte aus dem Fitnessstudio gleichsetzen kann. Allein der Preis würde dieses Argument nicht rechtfertigen.
Lisa Amenda
Aber eine Yogamatte ist so viel mehr. Sie ist wohl eines der intimsten Sportgeräte – wenn man sie überhaupt als solches bezeichnen kann. Schließlich übt man barfuß auf ihr, liegt mit dem Rücken oder dem Bauch auf ihr und vergräbt manchmal nach deutlicher Überanstrengung das Gesicht direkt auf der weichen Kautschukoberfläche.
Hinzu kommt, dass man zu einer Yogamatte oder noch persönlicher, ich zu meiner Yogamatte, auch eine persönliche Bindung aufbaut. Und das können mir wohl viele andere Yogapraktizierende bestätigen. Denn eine Yogastunde ist nicht nur ein bisschen Vinyasa und Krieger üben. Yoga kann eine ziemlich emotionale Erfahrung sein. Und die will ich nicht mit jedem oder jeder teilen.
Geteiltes Leid ist geteiltes Abenteuer
Und so haben meine Yogamatte und ich schon ziemlich viel miteinander durchgemacht. Immer wenn ich die leicht aufgescheuerten Stellen unter meiner rechten und linken Hand im Herabschauenden Hund sehe, frage ich mich wie oft meine Matte und ich wohl schon gemeinsam diese Situation gemeistert haben. Wenn ich diesen kleinen Fleck am Anfang der Matte genau unter meiner Nasenspitze sehe, dann weiß ich, dass der von den 108 Sonnengrüßen ist, die meine Matte und ich zur Wintersonnenwende gemacht haben. Und wenn ich an der linken oberen Ecke meiner Matte dieses unscheinbare Rechteck sehe, das noch immer ein bisschen klebt, wenn ich mit dem Finger darüber streiche, dann erinnere ich mich an meine Yogalehrerausbildung, wo genau dort mein Namensschild geklebt hat. An 200 Stunden auf dieser einen Matte. In der Asanapraxis, der Meditation oder der Theorie. Habe ich mich müde gefühlt, konnte ich mich auf ihr ausruhen. Brauchte ich den letzten Push im Handstand, so hat sie meinen noch so verschwitzten Händen Halt gegeben. Und habe ich aus Versehen in der Pause mal ein Stück Käsekuchen auf ihr verloren, dann fand sie auch das nicht so schlimm. Sogar meine Yogastunden auf dem nassen Gras im Englischen Garten und auf dem sandigen Boden am Campingplatz in Italien hat sie tapfer weggesteckt.
Jürgen Amenda
Zwar sieht man ihr mittlerweile die ein oder andere Strapaze, das ein oder andere Abenteuer an, aber genauso soll es doch sein. Mit den Lieblingsteilen. Sie sollen nicht wie nagelneu und gerade ausgepackt wirken. Sie sollen eine Geschichte erzählen. Unsere gemeinsame Geschichte. Hast Du nicht auch so ein Lieblingsteil?