„Lassen Sie mich durch, ich bin Bergsportler!“ So treten wir Bergsportler mit unseren Autos oft auf, wenn wir in die Berge unterwegs sind. Klar, wir haben darauf geachtet, dass wir eine Funktionsjacke ohne PFCs tragen und zuhause auf dem Dach haben wir vielleicht sogar eine Photovoltaikanlage.
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Und jetzt sitzen wir hier Auto, wollen zu unserem Wanderparkplatz und dann verstopfen da diese ganzen Touristen mit ihren Autos das Tal! Die da, das sind die Touristen. Ich aber bin Bergsteiger. Was soll ich tun? Zum Parkplatz der Tour, die ich heute machen will, komme ich halt nicht anders hin als mit dem Auto! Also: Lasst – mich – jetzt – durch!!!
Die da, das sind die Touristen. Ich bin aber Bergsteiger!
Wenn ich als Bergsportler mit etwas Abstand auf mein Verhalten schaue, dann habe ich eigentlich ein ganz gutes Bild von mir. Ich versuche Kleidung lange zu tragen, esse nur noch wenig Fleisch, vermeide das Fliegen, nehme meinen Müll wieder mit, halte mich an Schonzeiten, solche Sachen. Wäre da nicht der Weg in Berge. Über den denke ich lieber nicht nach.
Denn wie oft nehme ich dann doch das Auto. Gründe fallen mir viele ein:
- Grund 1: Es ist teurer mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren. Finanziell gesehen lohnt es sich (jenseits der Städteverbünde) oft überhaupt nicht (wenigstens wenn ich ohnehin schon ein Auto habe). Fahre ich mit dem Zug allein in eines meiner häufig besuchten Klettergebiete, dann kostet mich das 18 Euro hin und zurück. Den Anschlussbus exklusive. Fahre ich mit der Familie, bleiben die Kosten beim Auto gleich, beim Zug verdoppeln sie sich.
- Grund 2: Ich komme da ja ohne Auto gar nicht hin. Am Ende lande ich mit meinem Auto genau bei dem Parkplatz, von dem ich starten will. Denn natürlich will ich nicht dorthin, wo alle sind. An viele Ausgangspunkte komme ich nur mit dem eigenen PKW. Denn entweder die Öffentlichen verkehren in einem sehr weiten Abstand oder fahren bestimmte Gegenden überhaupt nicht an.
- Grund 3: Es ist einfach bequemer mit dem Auto. Ich komme zuhause los, wenn ich fertig bin. Und nach meiner Wanderung kann ich sofort wieder heimfahren. Klar ist das bequem. Kein Hetzen zum Bahnhof oder zum Bus. Kein ewiges Warten, weil der mir wieder mal vor der Nase weggefahren ist.
Wie gesagt, Gründe fallen mir immer ein. Und schon sitze ich wieder im Auto, statt etwas anderes zu organisieren.
Die Anreise ist weiterhin der größte Posten in meiner CO2-Bilanz.
Richtig fühlt sich das für mich trotzdem nicht an. Der DAV hat 2015 in seiner Studie zur Mobilität darauf hingewiesen, dass DAV-Bergsportler im Jahr für den Bergsport durchschnittlich 5456 km zurücklegen, davon fast 3800 km mit dem Auto. Besser geworden ist das in den vergangenen sieben Jahren vermutlich nicht. Die Anreise ist weiterhin der größte Posten in meiner CO2-Bilanz als Wanderer, Kletterer, Skitourengeher.
Stefan Rehm
Stefan Rehm
Aber warum mache ich es nicht einfach manchmal anders? Gibt es nicht genauso gute Gründe gegen meine oben genannten Argumente?
- Mit dem 9 Euro Ticket sind die öffentlichen Verkehrsmittel plötzlich günstiger als das Auto. Und unter 4 Euro Parkgebühr kommt man inzwischen noch an den wenigsten Parkplätzen weg (Warum nicht wenigstens ein Teil dieser Park-Einnahmen verwendet wird, um den ÖPNV kostenlos zu machen? Keine Ahnung…)
- Dank Bergbussen & Co. komme ich auch an abgelegenere Stellen – und vielleicht kann ich ja immerhin jedes fünfte Mal eine andere Tour wählen – zack: CO2-Bilanz um 20% reduziert. Die Region Chiemgau setzt etwa inzwischen auf Sammeltaxis, die sogenannten Rosi (Link findest Du am Ende des Beitrags).
- Und wenn ich wieder einmal mit meinen Bergsteiger- und Wanderfreunden am Bahnhof oder der Bushaltestelle stehe, dann könnte ich mich nach zwei Jahren Pandemie eigentlich auch mal darüber freuen, dass wir endlich wieder gemeinsam unterwegs sind!
Also vielleicht, mit etwas Abstand, ein wenig mehr Gelassenheit – statt des „Lassen Sie mich durch, ich muss jetzt zu diesem Parkplatz“? Ohne Anfangen ändert sich halt auch nichts…
Stefan Rehm
Als ich fertig war mit diesem kleinen Text hier, habe ich mir vorgestellt, ich würde jetzt ein Jahr in die Zukunft reisen. Was würde ich dann schreiben? Wäre es besser? Wäre es schon selbstverständlicher, nicht das Auto zu nehmen? An der Stelle habe ich dann wirklich aufgehört weiterzuschreiben.
Links & Tipps zum Thema der Kolumne
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Weil wir, die Bergzeit Magazin Redaktion wollen, dass sich etwas ändert, hier ein paar Links und Beiträge von uns:
- Klettergebiete mit den Öffentlichen: 5 gut erreichbare Klettergebiete südlich von München
- Ausprobiert: Wandern mit dem Münchner Bergbus
- Mit Bus und Bahn in die Berge: Gut erreichbare Ziele in Deutschland
- Wanderungen um Berlin, Frankfurt, München
- Vorstellung der Ortovox Markenbotschafterin Lena Müller, die einen Kletterführer mit öffentlichen Verkehrsmitteln geschrieben hat.
- Skitouren mit öffentlichen Verkehrsmitteln
- 3 Skitouren mit Bus und Bahn um München
Nachweise
- Studie des DAV aus dem Jahr 2015
- Rosi mobil, On Demand ÖPNV