Der neue Performance-Kletterschuh Ondra Comp von La Sportiva ist seit November 2024 auf dem deutschen Markt verfügbar. Eins vorweg: Auch wenn ich als Teenager mal Wettkämpfe geklettert bin, reicht es aktuell nur zum Hobby-Wettkampfkletterer – ich konnte den Schuh nur in mittleren Schwierigkeiten bis 7C Boulder testen. Trotzdem habe ich einen guten Eindruck über die Stärken dieses Allrounder-Schuhs gewinnen können.
- Test-Schuhgröße: 39,5 (für Straßenschuh 44), eng, passt nach 3-4 Sessions.
- Obermaterial: Mikrofaser & Kalbsveloursleder, ohne Innenfutter.
- Sohle: Vibram XS Grip2 mit „SenseGrip“, klare Sohlenkante für Kantenhalt.
- P3 System: Hohe Vorspannung, stabil bei Heelhooks.
- Klettverschluss: Breite Fläche, flexibles Schließen, hält unter Zugbelastung.
- Toehook: Verbessert durch Querrillen auf der Zehenkappe.
Welche Schuhgröße habe ich gewählt?
Da ich seit 10 Jahren keinen La Sportiva Kletterschuh mehr getragen habe, musste ich beim Auswählen der Schuhgröße etwas ins Blaue raten und hatte folgende Größenreferenzen:
- Straßenschuhe: 43,5 bis 44
- Scarpa Instinct Lace: 40,5
- Tenaya Mastia: 39
Nach Befragung des Kletterfreundeskreises habe ich mich beim Ondra Comp für Größe 39,5 entschieden. Es stellt definitiv das untere Ende dar, aber war die richtige Entscheidung. Da ich seit zwei Jahrzehnten ambitioniert klettere und enge Schuhe gewohnt bin, wäre meine Empfehlung bei Straßenschuhgröße 44 eher Größe 40 oder 40,5.
Erste Session: Guter Eindruck
Bei Straßenschuhgröße 44 zu Größe 39,5 war das erste Reinschlüpfen aufwändig. Durch die zwei seitlich angebrachten, breiten Schlaufen lässt sich der Fersenraum allerdings sehr gut öffnen und man kommt auch in kleine Größen gut rein – Plastikfolie war in diesem Fall nicht notwendig (eine bewährtes Hilfsmittel bei engen Größen).
Im Vorderfuß ist der breite Spann direkt auffällig, was meiner römischen Fußform sehr entgegenkommt und was ich an Scarpa Instinct Modellen seit Jahren schätze.
Das Obermaterial kombiniert laut Hersteller Mikrofaser mit Kalbsveloursleder und benötigt kein Innenfutter. Das Innenmaterial erinnert an das Tragefühl des La Sportiva Solution, mit der Optik des Theory. Generell wirkt es wie ein ‘Best-of-Breed‘ Ansatz verschiedener Performance-Modelle.
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Christopher Gutknecht
Die erste Session mit dem Ondra Comp. Die AOA-Schriftzug auf der ToeCap glänzt noch
Mit Größe 39,5 saß der Schuh sehr eng, die Zehen waren in der Toebox recht aufgestellt. Daher war erste Session eher von wenig Gefühl geprägt und häufigen Schuh ausziehen. Ich hatte aber direkt ein gutes Feingefühl vorne in der Toebox für kleinste Tritt.
Es brauchte insgesamt eher 3-4 Sessions mit schnellem Ausziehen, bis sich das optimale Gefühl bei mir einstellte.
Im Verlauf des ersten Test des La Sportiva Ondra Comp Kletterschuhs zeigt sich: Die enge Passform ist vor allem für kleine Tritte und Heelhooks mit viel Belastung geeignet. Gefühlvolle Toehooks oder Reibungstritte auf Volumen sind (noch) weniger sein Spielfeld. Das ist ein wichtiger, genereller Kompromiss, den man abwägen muss.
Optik und Features: Sohle, Ferse, Toecap
Farblich erinnert das Ondra Comp Modell an den La Sportiva Theory mit der gelb-schwarzen Optik und gleichem Klettverschluss.
Der wichtigste Unterschied ist die klare Sohlenkante wie beim Solution, also keine “No-Edge” Lösung wie beim Futura. Die Entscheidung hat mich überrascht, da Adam Ondra häufig das Futura Modell bei Wettkämpfen oder am Fels getragen hat – es vermittelt den Eindruck einer klaren Priorisierung von Kanten gegenüber Reibungstritten. Selbstverständlich kann man mit klarer Sohlenkante auch an Volumen oder in Bleau performen, es ist nur eine Frage der Technik und Gewohnheit.
La Sportiva hat bisher traditionell Schuhe entwickelt, die vor allem präzises Stehen auf kleinen Tritten – das Edging – ermöglichen. Nun wurde ein Modell gesucht, das sowohl beim Smearing, also dem Antreten auf Reibung auf großflächigen Volumen, als auch beim Edging auf winzigen Footholds performt. Dafür etabliert La Sportiva den Begriff „Smedging“, der die Kombination aus Flexibilität und effektivem Support für verschiedene Trittarten beschreibt.
Neben der üblichen Zehenvorspannung hat die Vibram XS Grip2 Sohle auch eine Drehung der Außenristsohle nach innen, was ein besseres Ziehen oder “Napfen” an seitlichen Tritten ermöglicht – La Sportiva hat dies “SenseGrip Technology” getauft.
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Christopher Gutknecht
Die Fußsohle weist eine Downturn-Vorspannung und eine Drehung nach innen auf.
Der Ondra Comp ist mit dem bewährten P3 System der Solution Reihe ausgestattet, was eine hohe Vorspannung und Formstabilität von Ferse und Mittelfuß ermöglicht. Die Ferse ist zu fast 100 Prozent Vollgummi, mit Ausnahmen von einem kleinen Kunstlederstreifen auf der Außen- und Innenseite.
Mit der guten Fersenkonstruktion erzielt der Ondra Comp eine Heelhook Performance auf allerhöchstem Niveau, auch gegenüber Scarpa und Tenaya. Auch bei hoher Zuglast in steilem Gelände hält der Schuh seine Form.
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Christopher Gutknecht
Christopher mit dem Ondra Comp beim Heelhook.
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Christopher Gutknecht
Die P3-Ferse und der Klettverschluss ermöglichen hohe Stabilität für viel Zuglast.
Wie beim Vorgängermodell Theory wird die Klettverschluss-Fläche zum Außenrist hin zunehmend breiter und erlaubt verschiedene Schließwinkel. Ein sehr praktisches Feature, denn dadurch muss man beim Zumachen nicht so präzise sein. Es gibt nichts Schlimmeres als einen Klettverschluss, der unter hohem Belastungsdruck plötzlich aufspringt und dann der Fuß vom Tritt rutscht.
Die Toehook-Fähigkeit wird durch viele Querrillen auf der Zehenkappe erhöht – die “AOA” Optik rückt damit dezent in der Hintergrund.
Der Schuh kombiniert viele bewährte Komponenten der bisherigen La Sportiva Performancemmodelle in einer sinnvollen Art und Weise:
- P3 Ferse mit Vollgummierung
- Klare Kante des Solution
- Geriffelte Toecap vom Solution Camp
- Große Klettverschlussfläche des Theory
Felstest am Tessiner Gneiss
Zum Jahreswechsel 24/25 hatte ich die Möglichkeit, den Ondra Comp Kletterschuh mehrere Tage beim Bouldern am Fels zu testen. Das klassische Bouldergebiet Cresciano zeichnet sich durch viele flachere Probleme mit kleinen Reibungs-oder Kantentritten aus. Der Schuh war zu diesem Zeitpunkt in circa 10-12 Sessions gut eingeklettert. Die anfängliche Steifigkeit und das enge Tragefühl hatte sich zu diesem Zeitpunkt gelegt.
Wie in der Halle glänzt der Ondra Comp auch am Fels mit hohem Gefühl vorne in den Zehenspitzen, kombiniert mit guter Steifigkeit auf kleinen Kanten und für anspruchsvolle Heelhooks.
Es fühlte sich direkt an wie der richtige Schuh fürs Bouldern im Tessiner Gneiss. Auch auf unangenehm kleinen Tritten hatte ich viel Vertrauen, das nicht enttäuscht wurde.
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Christopher Gutknecht
Der La Sportiva Ondra Comp im Felstest.
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Christopher Gutknecht
Chris im Boulder Arcadia in Cresciano, Tessin
Test-Fazit zum La Sportiva Ondra Comp Kletterschuh: Wofür ist der Schuh ideal?
Niemand zweifelt daran, dass Adam Ondra mit La Sportiva einen performanten Kletterschuh entwickeln kann. Bei der Kaufentscheidung sind meines Erachtens die zentralen Kompromisse entlang dieser Dimensionen entscheidend:
- Performance Schwerpunkt. Der Ondra Comp erzielte eine exzellente Balance zwischen Steifheit und Gefühl, zeigt aber mit der Sohle “klare Kante” und erzielt damit weniger Fläche auf reinen Reibungstritten.
- Preis. Das Modell ist preislich etwas über dem Solution Comp und deutlich über dem Theory angesiedelt. Gegenüber beiden Modellen hat die Sohle noch mehr Downturn nach innen und ist damit noch besser auf das Greifen von Tritten ausgerichtet. Es lohnt sich, diese Modelle gegen den Ondra Comp zu evaluieren.
Es war in jedem Fall eine Freude, solch einen durchdachten und ausgereiften Schuh zu testen. Ich freue mich auf weitere Sessions mit dem Schuh – drinnen wie draußen!