Vor langer Zeit besaß ich mal schöne, zwiegenähte Bergschuhe. Die sahen zwar schick aus – aber trotz jahrelangen Einlaufens kam es bei längeren Touren immer zu blutigen Blasen an den Füßen. Meine ersten Erfahrungen mit hochschaftigen Bergschuhen haben also keinen unbedingt positiven Eindruck hinterlassen.
So stand ich dem La Sportiva TX 4, der seinen Ursprung im Fleimstal am Fuße der Dolomiten hat trotz meiner Schwäche für alles „Made in Italy“ etwas misstrauisch gegenüber. Ich sollte jedoch eines Besseren belehrt werden! Und, wie man in Polen so schön sagt: nur eine Kuh ändert ihre Meinung nicht!
Alex/Vero Wöckner
Wanderschuh oder Kletterschuh? Approachschuh!
Der denglische Begriff Approach-Schuh bezeichnet eigentlich nichts anderes als einen Zustiegsschuh der Kategorie A/B. Zustiegsschuhe sind von Haus aus leichter konzipiert als der große Bruder Bergschuh und zeichnen sich in der Regel durch eine besondere Schuhspitze aus, die bei leichter Kletterei für einen besseren Grip sorgen soll.
La Sportiva war früher in meinem Kopf eher als italienischer Kletterschuh-Hersteller gespeichert – jedoch konnte man in den letzten Jahren beobachten, dass die Traditionsmarke auch in der Trailrunning-, Wander- und Bergsteigerszene angekommen ist. Der TX4 wird direkt im Fleimstal im Trentino produziert, das mag ich! Das Kürzel TX steht übrigens für Traverse X, was wiederum für Traverse/Cross steht. Das passt perfekt für die schnelle, komfortable Fortbewegung am Berg.
Infos zum Women’s TX4 Mid GTX
Design
Ich bin gleich positiv überrascht – der Schuh hat wenig Klobiges an sich und ist in drei Farben erhältlich. Ich bin mit meiner Farbwahl – hellbraunem Sämischleder mit türkisen Schnürsenkeln – auf jeden Fall glücklich. Für Farbmuffel gibt es jedoch auch eine schwarze und grau/gelbe Variante. Im Gegensatz zu vielen Zustiegsschuhen im Halbschuhformat handelt es sich beim TX4 um einen sogenannten mid-cut – also einen halbhohen Schuh, der u.a. auch im Geröll ausreichend Knöchelschutz bietet. Der Schaft ist wirklich weich, es besteht kaum Gefahr für Druck- oder Reibestellen.
Passform und Tragekomfort
Normalerweise trage ich bei alltagstauglichen Schuhen die Größe 40, tendiere bei Sport- und Bergschuhen aus Gründen der Bequemlichkeit aber zu einer größeren Schuhgröße – hier die 41. Die Auswahl ist perfekt! Der Schuh sitzt wie angegossen und zu meiner Freude hat man hier kein beengendes Gefühl im vorderen Fußbereich. Die Zehen haben alle Freiheit, die man sich wünschen kann – ohne dass der Schuh einen zu lockeren Sitz hat.
Schnürung und Sohle
Der Schuh besitzt Mythos-Schnürsystem, das vom Urvater aller Kletterschuhe, dem La Sportiva Mythos, abgeleitet ist. Die Schnürsenkel werden hier nicht durch Ösen im Schuh geführt, sondern durch Schlaufen, sodass beim Regulieren der Schuhspannung weniger Reibung entsteht und man die Schnürung gleichmäßiger einstellen kann. Am Knöchel selbst wird die letzte Schnürung über einen Haken vorgenommen. Vorteil davon ist, dass man am Ende des Tages den Schuh leichter ausziehen kann, ohne die einzelnen Schnürungsebenen lockern zu müssen.
Vero/Alex Wöckner
Vero/Alex Wöckner
Laut Hersteller besitzt der Schuh eine Zwischensohle aus eingespritztem, dämpfendem EVA (einem kautschukähnlichen Elastomer) und ein mir bereits vom Speedcross bekanntes Ortholite Approach -Fußbett mit einer Dicke von 4 Millimetern. Dieses kann man austauschen, wenn das Müffeln nicht mehr kontrollierbar sein sollte…
Die Sohle glänzt durch eine Vibram Mega-Grip-Technologie mit einem Impact Brake System, dazu kommt die Kletterzone vorne an der Fußspitze. Mega-Grip ist nichts anderes als eine neue Gummimischung, die auf trockenem/nassem Untergrund sehr gut Halt bieten soll und eine höhere Lebensdauer aufweist. Das patentierte Impact Brake System dämpft den Aufprall, unterstützt den Antritt beim Aufstieg und die Bremswirkung beim Abwärtsgehen. Die Kletterzone selbst hat eine scharfe Kante an der Fußspitze, mit der man auch kleine Leisten hervorragend treten kann
Material
Das Obermaterial besteht zum großen Teil aus Sämischleder, das durch die Gerbung sehr weich und schweißbeständig ist sowie gute Festigkeitseigenschaften aufweist. Was wirklich, wirklich cool ist, ist der Gummischutzrand aus PU TechLite mit nur 1,5 Millimeter Dicke, der auch über die Fußspitze geht und dabei trotzdem leicht ist. Der gesamte Fuß wird somit rundum vor Geröll geschützt.
Vero/Alex Wöckner
Vero/Alex Wöckner
Der Schuh ist mit Gore-Tex Extended Comfort ausgestattet, das den TX4 dauerhaft wasserdicht und zugleich atmungsaktiv machen soll. Ich habe trotz des angepriesenen Klimakomforts und der besseren Wärmeableitung warme Füße bekommen – bei meinem Vergleichsschuh ist die Situation jedoch die gleiche. Trotzdem will ich Technologie nicht missen, da Gore-Tex vor allem wegen des Nässeschutzes im Winter glänzen kann!
Gewicht
Mit 436 Gramm pro Schuh in Größe 41 reiht sich der La Sportiva unter den Leichtgewichten bei den hochschaftigen Zustiegsschuhen ein. Dass er etwas mehr wiegt als ein Halbschuh, merkt man eigentlich kaum!
So macht sich der Women’s TX4 Mid GTX in Aktion
Den Schuh habe ich (auch an nicht unbedingt leichten Klettersteigen) ausgiebig testen können. Ich wurde auch bei höchster Beanspruchung nicht enttäuscht! Als eingefleischter „Trailrunning-Schuh-auf-Klettersteigen-Benutzer“ habe ich die Vorteile des TX4 klar genossen!
- Zustieg: Der Schuh sitzt sehr gut und drückt nirgends. Zu meiner Begeisterung ist die Sohle sehr responsiv, d.h.: ich spüre, was am Boden vor sich geht. Die Sohle ist gefühlt nicht sonderlich dick, hat eine mäßige Sprengung und ist dabei im Gegensatz zu üblichen Bergschuhen sehr flexibel, was den Schuh fast schon auf ein Treppchen mit Trailrunning-Schuhen stellt. Man fühlt den Untergrund, also auch die Steine. Das gefällt mir persönlich sehr gut!
- Klettern: Die Climbing Zone hat sich im Klettersteig mehr als bewährt, da ich auch die kleinsten Tritte sicher treten konnte. Hier hoffe ich nur, dass sich der Gummi nicht allzu schnell abnutzt, da der Effekt sonst gemindert wird. Der Megagrip hat sich bei nasser und trockener Platten-Reibungskletterei auf jeden Fall bewiesen, da ich keinen Ausrutscher erlebt und auch nicht antizipiert habe. Somit alles tippitoppi!
- Wandern: Wenn der Zustieg mal etwas länger dauert – oder man einfach mal länger Wandern geht – zeigen Schuhe oft ihr zweites Gesicht. Bei mir geben als erstes die Fußballen auf, da der Druck irgendwann so groß wird, dass es schmerzt oder sich eine Blase bildet (auch bei speziellen Trekkingsocken… ). Beim TX4 bin ich sogar auf einer 10-Stunden-Tour nicht an meine Grenzen gestoßen – zumindest was die Füße betrifft. Die Schuhe waren auch nach vielen Stunden noch so bequem wie kurz nach dem Anziehen – auch beim Wandern selbst hatte ich stets ein beschwingtes Gefühl. Der Schritt wird gut gedämpft und man rutscht im Schuh nicht umher. Wer also nicht immer nur an der Wand kraxeln will, hat mit dem TX4 auch für ausgedehnte Wanderungen einen kompetenten Begleiter.
Und noch eine Anmerkung…
- Stabile Führung: Ein weiteres Goodie beim Schuh ist (ich nenne es mal so) die Umknicklippe. Der eigentliche Marketing-Name dafür ist seitenstabiles STB Control System. Am äußeren Mittelfuß schließt der Gummirand nicht senkrecht ab, sondern ist etwas breiter. Dadurch wird Kippeln auch bei unebenen Untergrund vermieden und man muss sich regelrecht bemühen, um umzuknicken. Ich finde das gigantisch! Ansonsten haben sich meine sensiblen Füße nicht zu Wort gemeldet oder in irgendeiner Form beschwert, daher ist der TX4 für den Zustieg über jeden Steig – auch im Geröll – eine gute Wahl.
Mein Fazit zum La Sportiva Women’s TX4 Mid GTX
Kurzum – der La Sportiva hat mich im Rahmen meines Tests voll überzeugt. Er ist bequem, leicht und speziell für den Einsatzzweck am Klettersteig einfach ideal geeignet. Obwohl ich hochschaftigen Bergstiefeln grundsätzlich eher skeptisch gegenüberstand und meine Trailrunningschuhe gerne mal für hochalpinere Einsätze zweckentfremde, konnte der TX4 beim Zustieg, im Klettersteig und auch als leichter Wanderschuh voll punkten.
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