„Ansturm von Skitourengehern auf die Alpenregionen erwartet“! Solche und ähnliche News überschlagen sich aktuell aus gegebenem Anlass auf allen Kanälen der Medien. Viele Gedanken gehen mir zu diesem Thema durch den Kopf, werden jedoch unterbrochen durch die Frage meiner netten Kollegin Lisa, ob ich denn nicht ein komplettes LVS-Set für Skitourengeher testen möchte. Alles dabei, vom Lawinenrucksack über LVS-Gerät, Schaufel und Sonde lautet die motivierende Ansage – wer kann da schon nein sagen.
Die Lawinen-Grundausstattung
Abseits der Piste, vom Freeriden bis zum Skitourengehen jeglicher Spielart, ist die Sicherheitsgrundausstattung von LVS-Gerät, Schaufel und Sonde eigentlich schon lange gesetzt. Ob auch ein Lawinenrucksack dazugehört? Eher weniger. Meist schrecken hier Kosten, Gewicht und Komplexität ab. Für viele Skitourenneulinge könnte eine komplette Grundausstattung trotzdem interessant sein, weil sie die Überlebenswahrscheinlichkeit im Fall der Fälle deutlich erhöht. Gerade, wenn Wissen und Übung noch nicht so ausgefeilt sind, kann das halbwegs an der Schneeoberfläche bleiben letztlich lebensrettend sein.
BCA Float 32L Lawinenrucksack
Ein Rucksack mit Lawinen-Airbag soll die Verschüttung des Skifahrers im Falle eines Lawinenabgangs verhindern. Die Grundaufgabe als Rucksack ist jedoch der Transport von Ausrüstung, Bekleidung und Nahrung, die unterwegs benötigt wird. Soll Spaß und Erlebnis nicht beeinträchtigt werden, muss der Rucksack ein gewisses Volumen haben und einen Tragekomfort, der keine Rückenschmerzen hinterlässt.
Der BCA Float 32L ist ein Tagesrucksack (Puristen schaffen auch ein Wochenende), der mir auf Anhieb gut passt. Der in der Beschreibung angepriesene Tragekomfort ist schnell spürbar. Entscheidend hierbei ist der höhenverstellbare Hüftgurt, der unterschiedlichen Rückenlängen Rechnung trägt. Die Schultergurte sind gut positioniert und legen sich angenehm um Schulter und Oberkörper. Das ist wichtig, denn ein Airbag-Rucksack muss eng und stabil am Körper liegen, um im Eventualfall nicht weggerissen zu werden.
Das Hauptfach mit rundum laufendem Reißverschluss umfasst den abgetrennten Raum für die Auslöseeinheit und Druckluftzylinder, ein Brillen- und Kleinteilefach und genügend zusätzlichen Raum für weitere Ausrüstung. Das separate Frontfach nimmt Schaufel, Sonde und auch Felle locker auf. Ich platziere darin problemlos auch noch einen Biwacksack und das Erste Hilfe Päckchen. Das ist cool, weil so alle schnell zu erreichenden Dinge ohne das Hauptfach öffnen zu müssen zugänglich sind.
Die weiteren Befestigungsmöglichkeiten wie Helmnetz (in einem kleinen Außenfach, evtl. einen Tick zu klein), Ski-/Snowboard-/Schneeschuhhalterung und Eispickelaufnahme sind gut und zum Teil verdeckt angebracht.
Achtung: Die Eispickel dürfen nicht länger als 52 cm lang sein, damit sie den aktivierten Airbag nicht in seiner Ausfaltung behindern oder sogar verletzen können. Schneeschuhe oder Snowboard werden auf der Frontseite vertikal fixiert, Ski diagonal. Das funktioniert unkompliziert und behindert den Airbag nicht.
Die Auslösung des Airbags aktivieren wir über einen in den Schultergurten (links oder rechts) untergebrachten Auslösegriff, über dessen beispiellose Ergonomie ich schon gehört hatte. Stimmt, die ist wirklich klasse und das ist wichtig. Wenn es schnell gehen muss, mit welchem Handschuh auch immer, darf das „Finden“ des Auslösegriffes kein Problem darstellen.
Nach einer Aktivierung des Airbags muss die Druckluftflasche gewechselt werden. Dieser Vorgang ist nicht wirklich kompliziert, für meinen Geschmack jedoch ein wenig aufwändig. Das dürfte auch die Fans von Trinksystemen nerven, die den Trinkschlauch im jeweils freien Schultergurt positionieren möchten. Der Druckluftzylinder wird aber hoffentlich außer zur saisonalen Funktionsprüfung nicht zu häufig gewechselt.
BCA Tracker S LVS-Gerät
Das Tracker S LVS-Gerät ist die „abgespeckte“ Variante des Tracker 3 und daher interessant für alle Nutzer, die ein unkompliziertes Gerät wollen und/oder sich nicht mit Ausbildung, Kursbetrieb usw. beschäftigen möchten. Wichtig zu wissen ist an dieser Stelle, dass damit auch der USB-Port der Spitzengeräte fehlt und somit kein eigenständiges Upgrade der Software möglich ist. Kann aus meiner Sicht aber vernachlässigt werden, da erst nach Jahren fällig und dann per Einsenden möglich.
Hier zunächst die wichtigsten Ausstattungsmerkmale:
• 3 Antennentechnologie (Standard)
• Reichweite ca. 50 m
• Anzeige Mehrfachverschüttung
• Signalunterdrückung bei Mehrfachverschüttung
BCA Tracker S in der Praxis
Das Gerät auspacken, die mitgelieferten Batterien einlegen und schon ist das Gerät einsatzbereit. Ein Drehrad mit Sicherungsschieber und ein blauer Knopf auf der Vorderseite sind die einzigen Bedienelemente.
Aktiviert man das Gerät in den Sendemodus, piepst das Gerät, alle LED Anzeigen leuchten kurz auf, die prozentuale Batterieladung wird angezeigt. Anschließend blinkt nur eine rote LED unten rechts und zeigt, dass wir uns im Sendemodus befinden.
Nach dem Entsichern des Drehknopfes und weiterdrehen in den Suchmodus, was auch gut mit Handschuhen funktioniert, leuchtet entweder SE (Search) auf, wenn noch kein Sendesignal empfangen wird oder eben die vom Gerät gemessene Entfernung des verschütteten Sendergerätes.
Werden mehrere Sendergeräte gefunden (Mehrfachverschüttung), werden diese anhand von Symbolen auf dem Display angezeigt und können gegebenenfalls mit dem blauen Knopf ausgeblendet werden.
Das Display zeigt ab dem Beginn der Signalerfassung die Richtung und Entfernung zum Sender in rot an. Ab ca. zwei verbleibenden Metern in der Feinsuche verschwindet der Richtungspfeil, um die Konzentration nun rein auf die letzten Meter der Feinsuche zu lenken. Auch die Akustik der Suche ändert sich, je näher wir dem Sender kommen.
Ich habe den Tracker S in allen Funktionsbereichen getestet und dabei mit gängigen weiteren Marken verglichen. Hierbei muss sich der Tracker S nicht verstecken und erfüllt alle Anforderungen, die an ihn gestellt werden. Während der Grobsuche verhielt er sich bei senkrecht positioniertem Sendergerät noch etwas sprunghaft. Unter 20 m Distanz und in der Feinsuche waren die Anzeigewerte allerdings sehr stabil und schnell reagierend. Als Ausbilder gebe ich immer das Motto vor: Langsames und präzises Vorangehen in der Feinsuche bringt ein schnelleres Ergebnis!
BCA Stealth 270 Lawinensonde
Die Punktsuche bei einem LVS-Kurs bringt für viele Teilnehmer immer wieder eine große Überraschung. Dass das Ausgraben eines lokalisierten Verschütteten noch einmal ein letzter intensiver Akt in der Rettungsabfolge sein wird, können sich die meisten Menschen vorstellen. Aber die Punktsuche mit einer Sonde, wo liegt da das Problem?
Je genauer wir wissen, wo der Verschüttete liegt, desto genauer können wir graben und desto schneller sind wir am Ziel. Also, mit dem LVS-Gerät den Kreuzungspunkt im Kreuzlinienverfahren ermitteln, die Sonde dort platziert und sofort mit dieser das Sondieren im 25 cm Abstand beginnen, die Zeit rennt uns ja davon. Es stimmt schon, man kann mit der Sonde sehr schnell und präzise die Lage eines Verschütteten lokalisieren. Aber man muss dorthin gelangen. Spätestens beim Stillstand der Lawine wird jeder Schnee massiv verfestigt. Der Schnee wird hart, es können Eis- und Gesteinsbrocken in die Quere kommen. Wenn jetzt die Sonde nicht stabil genug, nicht lang genug ist oder sich beim Herausziehen gar zerlegt, werden wir – so knapp vor dem Ziel, den Verschütteten zu finden – in die Verzweiflung getrieben.
Wichtige Merkmale einer Sonde
- Mindestlänge (ca. 240 cm)
- Stabile Rohre
- Funktionale Spitze
- Sichere und funktionale Verspannung
- Schnellspannverschluss
- Längen- bzw. Tiefenmarkierung
Die BCA Stealth 270 Lawinensonde erfüllt alle diese Merkmale und zwar perfekt. Sie ist 270 cm lang hat eine funktionierende Spitze, ist schnell ausgeworfen und mit ein paar Rucklern gespannt. Die Verspannung kann reguliert werden und bietet dann absolute Steifigkeit. Mit dieser Sonde kann man effektiv arbeiten. Ja, sie hat ein höheres Gewicht als andere Sonden, aber wir sprechen hier von Unterschieden im Bereich weniger Gramm.
BCA B1 Ext Lawinenschaufel
Wir sind am letzten Punkt eines Lawinenrettungsvorgangs angekommen. Der Verschüttete ist lokalisiert und muss „nur“ noch ausgegraben werden. Wir haben schon beim Sondieren gelernt, dass wir es im Lawinenkegel mit verdichtetem Schnee zu tun haben, der schwer und hart sein kann. Somit gilt auch hier, die Schaufel muss funktional und von hoher Qualität sein. Stell Dir vor, Du bist so nah am Ziel und dann bricht Dir die Schaufel oder Du kommst mit dem Blatt nicht in den harten Schnee – eine Katastrophe!
Wichtige Merkmale einer Lawinenschaufel
• Robuste Konstruktion
• Ausreichend großes Schaufelblatt
• Teleskopierbarer Stiel
• Zerlegbar, um im Rucksack Platz zu finden
• Funktionale Bedienung beim Aufbauen und Zerlegen
• Bedienung mit Handschuhen möglich
Die BCA B1 Ext Lawinenschaufel wurde ohne Kompromisse konstruiert und gefertigt. Sie hat eine Schaufel von ca. 22 x 25 cm Fläche, der Stiel ist 34 bis 51 cm lang, die Konstruktion ist stabil und alle Funktionen sind auch bei Kälte und Schnee einsatzbereit. Die Handhabung beim Schaufeln ist hervorragend und ein Plus hält sie zudem bereit: Ein geringes Gewicht von 587 Gramm. Doch, ein kleiner Wermutstropfen fällt mir auf: Frauen mit kleinen Händen können mit dem etwas großen Umfang des Griffs Probleme bekommen.
Testfazit: Perfektes Rundumpaket
Ich bin eigentlich nicht der Typ, der sich gerne Sets anschafft. Ich stelle mir lieber ganz individuell meine Idealprodukte zusammen. Wenn Du aber Freerider, Schneeschuh- oder Skitourengänger bist, der hinsichtlich einer kompletten LVS-Grundausstattung schnell und unkompliziert ein perfektes Rundum-Paket möchte, bist Du mit diesem BCA-Set bestens bedient. Die Qualität und Funktionalität passt, das Volumen des Rucksacks ist bei Skitouren ausreichend bis zu Wochenendtouren. Das manchmal etwas höhere Gewicht ist der Qualität geschuldet und schreckt letztlich nur den leistungsorientierten Nutzer.
Bitte denke daran, dass die beste Ausrüstung ein Lernen und Üben mit dieser nicht ersetzt!
Weitere Beiträge zum Thema Skitour:
- Lawinenairbags im Bergzeit Shop
- Umweltfreundlich auf Skitour – der DAV klärt auf
- LVS-Geräte im Vergleich: Marktüberblick 2020/2021
- Welche Skilänge brauche ich für Tourenski, Freerideski & Co.?
- Die besten Tourenski-Sets für Einsteiger und Umsteiger
- Lawinenrucksack-Marktüberblick 2021/22: Airbag-Systeme im Vergleich