Warum einen Kletterhelm?
In vierzig Jahren Klettererfahrung habe ich Unfälle mit Kopfbeteiligung Gott sei Dank immer nur als Außenstehender miterlebt. Sei es im alpinen Gelände, als mir mein Seilpartner kopfüber in den Stand gedonnert ist, oder als ich im sonnigen Kalifornien haarsträubende Stürze am El Capitan aus der Hängematte heraus wie aus einem Fernsehsessel „begutachten“ durfte. Aber auch beim Sportklettern auf Kalymnos, als sich ein Kletterer zum Abbauen seiner Expresschlingen im Toprope abgelassen hat. Als dieser die letzte Exe aushing, rauschte ein gut 80 Kilogramm schweres Muskelpaket ungebremst mit zwölf Metern Anlauf direkt auf meine Frau Julia zu. Julia hat die komplette Aufprallenergie abbekommen und wurde durch die Luft geschleudert – doch sie hatte Glück.
Aber was sagt uns das? Entweder sich nicht mehr in der Schwunglinie potentieller Routenabbauer aufhalten, oder einen Helm aufsetzen. Doch nicht nur vor pendelnden Kletterern oder herabfallenden Steinen schützt der Helm, sondern vor allem auch vor unkontrollierten Stürzen. Ein seitlicher Aufprall mit dem Kopf am Fels ist ein mittlerweile häufiges Szenario. Also Gründe genug für einen anständigen Kletterhelm.
Wir haben uns den Mammut Wall Rider MIPS zur Brust genommen und beim Sportklettern in der Türkei getestet. Außer mir hatten auch zwei Damen den Kletterhelm im Einsatz.
Technische Fakten zum Mammut Wall Rider MIPS
Zertifiziert nach EU-Norm
Der Wall Rider wurde als Kletterhelm zertifiziert. Das bedeutet, dass der Helm unter Normbedingungen geprüft wurde (EN12492 für Bergsteigerhelme). Die Kriterien lauten hier: Die Maximalkraft, die auf den Kopf einwirkt, darf zehn Kilonewton betragen, wenn aus zwei Metern Höhe ein Gewicht von fünf Kilogramm auf den Helm trifft. Zusätzlich sieht die Norm noch seitliche Aufprallversuche, einen Durchdringungstest sowie einen Test zur Festigkeit der Gurte vor. Allerdings existieren bei Kletterhelmen im Gegensatz zu Fahrradhelmen oder Skihelmen noch keine Richtwerte bezüglich maximal zulässiger Beschleunigung bei einem seitlichen Aufprall.
Alle Bergsteigerhelme müssen die oben genannte Norm erfüllen, um auf dem europäischen Markt überhaupt verkauft werden zu können.
Material und Konstruktion
Der Wall Rider besteht grundsätzlich aus zwei Hauptkomponenten: zum einen aus Schaum-Kern aus expandiertem Polypropylen (EPP) – ein sehr elastisches Material, das die Energie eher durch Verformung statt durch Brechen aufnimmt. Je nach Einschlagstärke kann dieses Material teilweise seine alte Form wieder annehmen. Zum anderen sitzt über diesem Rundumschutz beim Wall Rider zentral eine partielle Hartschale.
Der Wall Rider in der von uns getesteten Variante ist zudem mit der MIPS-Technologie ausgestattet. Diese verringert das Verletzungsrisiko bei schräg einwirkenden Kräften auf den Helm, indem die Rotationskräfte bei einem seitlichen Aufprall abgefangen werden. Dies geschieht durch zwei bewegliche Helmschichten.
Gewicht
Vorbei die Zeiten, als man noch Steinschlagpanzer auf sein edles Haupt bettete. Mittlerweile ist das Tragen eines Helmes keine Last mehr. Der Mammut Wall Rider MIPS bringt laut Hersteller 225 Gramm auf die Waage. Wir haben nachgewogen und kamen auf 229 Gramm. Also alles im grünen Bereich.
Optik und Zubehör
Mittlerweile ist der Helm ja fast schon zum Modeaccessoire avanciert. Und das ist ein nicht unwesentlicher Bestandteil – nicht nur bei Frauen! Wer will schon eine Schale auf dem Kopf, um damit auszusehen wie Calimero? Unsere zwei weiblichen Testerinnen sind begeistert! Und auch meine Wenigkeit ist voll des Lobes. Dreimal fünf Sterne.
Der Wall Rider kommt in einem schwarzen Stoffbeutel daher. Dieser lässt sich außer für den Helm auch für vielerlei anderes verwenden. Nützlicher ist ein zusätzlicher Ersatzpolster, der von innen mittels Klettverschluss in der Helmschale ausgetauscht werden kann.
Der Kletterhelm in der Praxis
Handling von Kopfband und Größenverstellung
Beim ersten Anblick des Gurtsystems bin ich leicht verwirrt. Schaut recht dünn aus. Zuerst einmal werden die schlanken Gurtbänder entwirrt. Dann findet das gute Teil Platz, wo es hingehört: auf dem Kopf. Der erste Eindruck ist positiv. Der Helm sitzt einwandfrei. Und zwar schon bevor ich das Gurtsystem verschlossen habe.
Jetzt geht es an die Einstellung. Etwas fummelig sind die dünnen Gurtbänder schon. Entsprechend klein sind auch die Kunststoffclips zum Verstellen der Gurtbänder. Auch dies ist mit etwas Fummelei verbunden. Hier sind die Einstellrädchen am Hinterkopf anderer Hersteller auf den ersten Blick bequemer.
Doch hat man das Gurtsystem einmal eingestellt, passt der Wall Rider perfekt! Und jetzt erschließt sich auch das dünne Gurtmaterial als haptischer Vorteil gegenüber breiteren Gurtbändern. Vor allem am Kinn ist es weitaus weniger zu spüren wie breitere Gurtkollegen. Allerdings fehlt hier das Gurtpolster. Mich und die anderen Tester hat dies jedoch nicht gestört.
Tragekomfort und Sitz
Der Mammut Wall Rider sitzt perfekt. Außer mir haben den Helm auch noch zwei Frauen getestet. Alle waren wir der gleichen Meinung. Sehr angenehm zu tragen und auch bei schnellen seitlichen Drehbewegungen bleibt der Helm da, wo er hingehört. Das Gurtsystem und die Form des Helms harmonisieren ideal. Mit einem Helm ist es jedoch wie mit einem Schuh: Unbedingt probieren!
Was mir persönlich nicht ganz so gefällt, ist die kleine „Dachrinne“ an der Vorderkante des Helms. Irgendwie empfinde ich es so, dass mein Blickfeld nach oben ein klein wenig eingeschränkt ist. Bei den zwei weiblichen Testern spielte dies allerdings keine Rolle. Was uns allen gut gefallen hat, war der verhältnismäßig tiefreichende Schutz am Hinterkopf. Dieser zieht ein gutes Stück nach unten, ohne dass sich beim Blick nach oben eine störende Kante im Nacken bemerkbar macht.
Belüftung
Unglaublich großzügig. Unter dem Wall Rider dürfte jeder noch so große Hitzkopf einen kühlen Kopf behalten. Anscheinend hat es Mammut hier geschafft, mit den großen seitlichen Öffnungen eine extrem gute Lüftung sicherzustellen und gleichzeitig den seitlichen Aufprallschutz zu gewährleisten. Als Grundregel kann man natürlich sagen: je mehr Öffnungen, desto besser die Lüftung. Das hat Mammut hervorragend umgesetzt.
Stirnlampenfixierung
Minimalistisch, aber ausreichend. Und irgendwo muss das geringe Helmgewicht ja schließlich herkommen. Der Zipper am hinteren Helmrand, der dafür notwendig ist, den hinteren Befestigungsgummi vom Helm zu lösen, um das Strirnlampenband darunter zu befestigen, ist etwas zu kurz geraten, um diesen mit zwei Fingern bedienen zu können. Mit Handschuhen funktioniert dies nicht. Ist die Stirnlampe mal platziert, hält sie gut und bleibt da, wo sie ist.
Mein Test-Fazit zum Mammut Wall Rider MIPS Kletterhelm
Wenn man das Anfangsgefummel der Gurtbänder und das damit zusammenhängende Einstellen des Kopfbandes erstmal hinter sich gebracht hat, dann ist alles tiptop beim Mammut Wall Rider MIPS Kletterhelm. Und da der Helm für den persönlichen Bedarf ist, wird in der Regel der Einstellvorgang auch nur einmal gemacht. Es sei denn eine Mütze muss darunter. Die Passform war bei allen drei Testern ausgezeichnet.
Das Gewicht von 225 Gramm spricht beim Tragen (auch im Rucksack) für sich. Bei einem Helm in dieser Bauweise ist allerdings ein wenig feinfühliges Verhalten im Umgang beim Transport zu empfehlen: Darauf sitzend Brotzeit zu machen, schmeckt dem Kletterhelm weniger. Auch das Rendezvous im Rucksack mit härteren Gerätschaften nimmt der Schaumkern etwas übel.
Wer aber einen leichten, den Sicherheitsnormen entsprechenden Bergsport- und Kletterhelm möchte, dem kann ich den Wall Rider von Mammut nur empfehlen.