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GriGri+Komfort+Sicherheit

Das Petzl Grigri+ im Test und Vergleich

9 Minuten Lesezeit
Das neue Grigri heißt nicht Grigri 3 sondern Grigri+. Was verbirgt sich hinter dem "Plus"? Wir haben das Sicherungsgerät getestet und erklären alles über Seildurchmesser, Anti-Panik-System und Toprope-Modus.

Im April kommt das GriGri+ von Petzl auf den Markt. Warum jetzt noch einmal ein neues Grigri, kann man sich da fragen. Das alte funktioniert doch seit einigen Jahren.* So einfach ist die Sache allerdings nicht.

Update 2019: Das alte, also das Grigri2, wurde inzwischen überarbeitet. Es heißt nun einfach „Grigri“. Mehr dazu findest Du hier: Grigri: Überblick, Vergleich & Test

Es war einmal…

Also (man muss sich das märchenonkelhafte Einatmen an dieser Stelle einfach dazu denken): Es war einmal ein Sicherungsgerät, das hieß Grigri; es war der erste Halbautomat im ganzen Kletterland und deshalb war es der Halbautomat. Dann kamen aber im mehr und mehr Autotuber und eroberten sich immer mehr Platz in den Hallen und an den Felsen. Und es kamen einige Leute daher, die sagten hässliche Wörter wie „unintuitiv“. Das ärgerte das Grigri sehr.

Was gibt’s neues beim Grigri+? Das Grigri2 wird mit dem Grigri+ verglichen.

Stefan Rehm

Was gibt’s neues beim Grigri+? Das Grigri2 wird mit dem Grigri+ verglichen.


Dazu kam, dass das Grigri 2 damals etwas abgenommen hatte. Entsprechend konnte es mit Seilen ab 10,3 Millimetern oder mehr recht … anstrengend werden. Und auch in die andere Richtung wurde es schwierig: Der Schlankheitsideal bei Einfachseilen führte dazu, dass diese sogar dünner als 8,9 Millimeter wurden. Weniger als 8,9 Millimeter schafft das Grigri 2 aber nicht.

Kurz und gut: das Grigri brauchte eine kleine Auffrischung. Und damit ist das Märchen jetzt auch zu Ende und wir können zu den Fakten und zum Test übergehen. Mal schauen ob das Grigri+ als Märchenprinz taugt …

Was neu ist beim Grigri+? Antipanic-System, Toprope- und Vorstiegs-Modus und ein breiteres Einsatzspektrum bei Seilen.

Stefan Rehm

Was neu ist beim Grigri+? Antipanic-System, Toprope- und Vorstiegs-Modus und ein breiteres Einsatzspektrum bei Seilen.


Grigri Plus = mehr Grigri? Ein Überblick

Also, die Frage aller Fragen: das Plus hinter dem Namen Grigri verspricht, dass das Grigri mehr kann als sein Vorgänger. Neu sind insbesondere drei Punkte:

  1. Anti-Panik-Funktion: Damit reagiert das Grigri+ auf einen der Hauptkritikpunkte an den alten Versionen. Wenn man beim Ablassen Angst bekam, weil es zu schnell ging, musste man den Bremshebel loslassen – was so ziemlich genau das Gegenteil ist von dem, was man macht, wenn man Angst hat.
    Zieht man beim Ablassen des Grigri+ den Bremshebel ganz durch, dann rauscht das Seil eben nicht mit voller Geschwindigkeit durch, sondern es gibt einen kurzen Knacks und das Seil läuft langsamer. > mehr erfahren
  2. Kletterseile mit Durchmesser unter 8,9 Millimeter: Das ist ein ziemliches Versprechen. Die Grenze des Machbaren hat sich hier immer weiter nach unten verschoben. High-End-Kletterseile werden immer leichter und dünner. Das dünnste Einfachseil auf dem Markt ist derzeit das Beal Opera (Durchmesser 8,5 Millimeter). Der Extrembereich hat sich nach unten noch einmal um vier Millimeter bewegt, der Komfortbereich um fünf Millimeter. > mehr erfahren
  3. Toprope-Funktion: Das Umstellen ist hier sehr pfriemelig und nichts, das man nach jeder Tour machen will. Vorteil ist, dass damit das Grigri+ beim Seileinziehen im Toprope-Modus schneller anspricht. > mehr erfahren

1. Die Anti-Panik-Funktion beim Grigri+ im Test

Wie war es bisher? Die Ablassen gehört in der Evolution vom Grigri zum Grigri 2 nicht zu den Stärken der zweiten Version. Zog man hier den Hebel etwas zu weit durch, wurde das Ablassen ganz schön schnell. Dabei kam es zu Unfällen, weil der Sicherer Panik bekam und den Hebel eben nicht losließ, sondern fester anzog.

Neu beim Grigri+: das Antipanic-System soll den Vorwurf des unintuitiven Handelns beim Ablassen beseitigen.

Stefan Rehm

Neu beim Grigri+: das Antipanic-System soll den Vorwurf des unintuitiven Handelns beim Ablassen beseitigen.


Wie ist es beim Grigri+? Eines vorneweg: Die Antipanik-Funktion beim Grigri+ führt nicht zwingend zu einem vollständigen Blockieren des Geräts. Ich habe beim Ablassen (mit Knoten hintersichert) den Ablasshebel mehrfach ganz durchgezogen. Wird eine bestimmte Kraft aufgewendet, geht der Hebel ein Stück leer durch:

  • Szenario 1: Wird der Hebel dann nicht weiter angezogen, stoppt das Seil.
  • Szenario 2: Wird der Hebel dann noch weiter durchgezogen, läuft das Seil weiter. Allerdings 1. mit mehr Widerstand als man es vom Grigri2 kennt und 2. mit einer enorm unangenehmen und einer – wie ich finde – enorm unintuitiven Handhaltung. Allerdings kann diese Funktion nur einmal auslösen. Das bedeutet: hat der Ablasshebel einmal durchgeklickt, muss man ihn einmal in die Ausgangsstellung zurückschnappen lassen. Erst dann funktioniert er wieder.

Was bringt die Anti-Panik-Funktion? Hierbei handelt es sich in puncto Sicherheit um einen wichtigen Schritt. Damit wird das Grigri+ auch für Einsteiger wieder interessanter. Profis werden die Anti-Panik Funktion vermutlich nicht brauchen bzw. beim Ablassen als etwas unpraktisch empfinden. Lässt man den Kletternden recht schnell ab, schlägt auch die Anti-Panik-Funktion zu.
Für das Unfallszenario „Sicherer zieht in Panik den Hebel ganz durch“ bietet das Grigri+ ein sinnvolles Gegenmittel. Denn selbst wenn der Sicherer das Weiterschnappen des Hebels übergeht, bietet das Grigri+ eine Restbremswirkung mit voll durchgezogenem Hebel.

2. Mehr Spielraum bei den Durchmessern von Kletterseilen

Wie war es bisher? Wie schon kurz beschrieben: Das Grigri funktioniert mit dickeren Seilen jetzt wieder besser. Bisher hüteten einige Kletterer ihre alten Grigris wie ein Heiligtum, weil die im Handling mit Seilen über zehn Millimetern sehr viel angenehmer waren. Mit dem Grigri+ ist wenigstens bis 10,5 Millimeter Erleichterung angesagt.

Wie ist es mit dem Grigri+? Das Grigri+ funktioniert mit dickeren Seilen deutlich besser. Bei unserem Testtag am Fels hatten wir auch einen sogenannten „Strick“ dabei (bayerisches Schimpfwort für ein altes, dickes Seil). Hier ist im Vergleich zum Grigri 2 eine deutliche Verbesserung zu sehen. Ein Blick von oben ins Gerät offenbart warum: der Seilschacht des Grigri+ ist etwas breiter angelegt. Zudem ist das Sicherungsgerät jetzt auch für richtig dünne Einfachseile bis 8,5 Millimeter geeignet (d.h. das Grigri+ kann auch mit dem dünnsten Einfachseil am Markt – dem Beal Opera mit seinen 8,5 Millimetern – verwendet werden). Ich habe das Grigri+ mit meinem nagelneuen, imprägnierten Sterling Aero Evolution mit 9,2 Millimeter getestet. Das Seil lief wunderbar und das Grigri griff tadellos. Der Test mit einem noch dünneren Seil steht noch aus.
Großer Vorteil des Grigri Plus ist, dass das Seil einfacher ins Sicherungsgerät hineingeschoben werden kann. Das bedeutet, dass seltener auf die sogenannte Gaswerk-Methode zurückgegriffen werden muss – was ein weiteres Sicherheits-Plus bringt.

Was bringt das Grigri+ in Sachen Seildurchmesser? Hier lohnt sich das Grigri+ für Einsteiger wie Vielkletterer. Die einen müssen sich weniger mit dicken Hallenseilen (Schimpfwort: Strick!) herumärgern, die anderen können auch ihr Beal Opera (8,5 Millimeter) oder ihr Edelrid Corbie (8,6 Millimeter) noch guten Gewissens mit dem Grigri verwenden. Folgende Tabelle macht deutlich, was sich hier bei der Kombination Grigri und Durchmesser des Kletterseils getan hat:

3. Mehr Vorstiegs- und Toprope-Komfort

Wie war es bisher? Idealerweise funktioniert das Seilausgeben beim Grigri 2 so: Die untere Hand führt das Sicherungsseil ins Sicherungsgerät hinein und die obere Hand zieht das Seil nach oben heraus. In der Praxis muss man – gerade bei nicht mehr ganz jungen Seilen – sehr häufig auf die sogenannte Gaswerk-Methode zurückgreifen, weil man nur so entsprechend schnell durch das Sicherungsgerät durchwürgen kann.

Wie ist es mit dem Grigri+? Beim Grigri Plus gibt es zwei Modi: Vorstieg und Nachstieg.

  • Im Vorstiegsmodus läuft das Seil spürbar leichter als beim Grigri2. Das bedeutet, dass man seltener auf die Gaswerk-Methode zurückgreifen muss, weil man auch so das Seil schnell genug ausgeben kann. Das ist auch für Vielbenutzer angenehm.
  • Im Nachstiegsmodus greift das Grigri schneller. Das ist beim Nachstiegssichern angenehm, weil das Seil ja dann nur eingeholt werden muss.

Wie kann beim Grigri+ zwischen Vor und Nachstiegsmodus umgestellt werden? Hier ist das Handling etwas gewöhnungsbedürftig. Drückt man den kleinen, schmalen Druckknopf an der Oberseite, kann man zwischen den beiden Modi hin- und herschalten. Drückt man den größeren Knopf an der Unterseite, ist der Hebel wieder arretiert.

Ein persönliche Anmerkung zum Umstellen zwischen den beiden Modi: Vielleicht haben manche Menschen so lange und stabile Fingernägel, dass sie den kleinen Knopf an der Oberseite drücken können – ich hatte Angst, dass mir mein Fingernagel abbricht, außerdem rastet der Mechanismus bei mir nicht ein. Hier hilft ein kleines Stöckchen oder ein schmaler Schlüssel.

Mir ist diese Bedienung zu fummelig; andererseits ist das nun auch nichts, das man nach jeder Route umstellen muss. Will man also mehrfach zwischen Vor- und Nachstiegsmodus wechseln, sollte man die Arretierung am besten nicht einrasten lassen. Meine Nachfrage bei Petzl ergab, dass es in Ordnung ist, die Arretierung nicht einrasten zu lassen. Das ist insbesondere als Möglichkeit für Kursleiter o.ä. gedacht, ein versehentliches Umstellen zu verhindern.

Mein Test-Eindruck des Petzl Grigri Plus

Das hört sich bis hier jetzt alles sehr trocken und faktenbezogen an. Wie fühlt sich das Sichern mit dem Grigri+ insgesamt an? An einem schönen Föhntag Anfang März durfte das Grigri mit einem Kletterpartner und mir – beide überzeugte Grigri 2-Sicherer – an einen der Paradefelsen der Bayerischen Voralpen.

Die auserkorenen Tagesziele bieten perfekte Testbedingungen: einmal eine kurze, extrem boulderige Route, dann ein Projekt mit großzügigen 40 Metern und ebenfalls großzügigem Flugpotential im oberen Teil.

Bei der kurzen Route und dem Ausbouldern der langen muss das alte Seil ran. Hier wechseln wir zwischen den Versionen Plus und 2. Und man hat wirklich den Eindruck, dass der abgenutzte „Strick“ im Grigri+ besser läuft. Bei den Durchstiegsversuchen mit dem 9,2 Millimeter dünnen Seil läuft alles wie geschmiert. Ich muss selbst beim schnellen Seilausgeben kaum auf die Gaswerk-Methode zurückgreifen. Sowohl das Stop&Go des Ausboulderns als auch die weiteren Abgänge meistert das Petzl Grigri+ souverän.

Die Anti-Panik-Funktion ist etwas ungewohnt. Ich löse sie einige Male beim schnellen Ablassen aus. ich kann zwar dann noch weiter ablassen, muss dafür meinen Arm aber ganz schön verdrehen. Also Hebel zurückschnappen lassen und weiter geht’s! Für Einsteiger ist die Funktion sicher sehr sinnvoll, für mich noch gewöhnungsbedürftig.

Der ausführliche Test des Toprope-Modus steht noch aus. Wir probieren das Umstellen Ausklettern noch aus; allerdings ist der Unterschied mit dem langen, dünnen Seil kaum zu bemerken. Hier folgt demnächst nochmals ein Nachtrag aus der heimischen Kletterhalle.

Was ist neu? Test-Fazit zum Petzl Grigri+

Mancher Kletterer stellt sich vielleicht jetzt die Frage, ob es dem Grigri2 genauso ergeht wie dem Grigri1 – dass es durch das Grigri+ gar ersetzt wird. Dem ist nach Auskunft von Petzl allerdings nicht so. Das Grigri2 und das Grigri+ richte sich an unterschiedliche Zielgruppen und es werde weiterhin beide Varianten geben, heißt es aus der neuen Petzl Niederlassung bei Geretsried.

Bedeutet das Plus hinter dem neuen Grigri wirklich einen Mehrwert für mich als Sicherer? Meine klare Antwort nach dem Test ist: Ja – und zwar aus den drei genannten Gründen:

  1. mag das Grigri+ dickere Seile etwas lieber als das Grigri 2. Und diese dicken Seile („Strick!“) kommen halt im Kletteralltag recht häufig vor.
  2. bietet die Antipanic-Funktion zusätzliche Sicherheits-Reserven – und macht das Gerät damit auch für weniger erfahrene Sicherer interessanter.
  3. kann man jetzt zwischen Vor- und Nachstiegs-Modus wechseln. Dieses Feature ist insbesondere für den Kursbetrieb interessant; die meisten Kletterer werden in der Regel den Vorstiegs-Modus verwenden.

Mehr zum Thema Klettern & Sichern im Bergzeit Magazin:

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