Es ist ein warmer Sommertag, Mitte August. Ich steige auf einen größeren Felsblock. Hier auf über 2.600 Metern über dem Meer. Einzelne Steine knirschen unter meinem Profil. Meine Hände ertasten die raue, blanke Felswand neben mir. Lila Veilchen blühen in einer Nische am Fels. Mehrere Höhenmeter unter mir höre ich sie: Kühe. Die Glocken um ihre Hälse bimmeln bei jeder Bewegung. Ich blicke weiter hinab ins Tal, gen Norden, zum Genfer See. Kalter Wind bläst um mich herum. Mein Blick schweift der untergehenden Sonne entgegen. Sie steht schon tief. Wohltuend warm scheint sie in mein Gesicht. Der Himmel ist orange gefärbt. Meine Augen bleiben an dem Bild vor mir hängen. Westen. Berge. Diese Richtung bestimmt nun schon seit Wochen meinen Weg. Was mir der Ausblick verrät? Viel weiter westlich geht es nicht mehr. Der Alpenhauptkamm ist fast zu Ende.
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Marina Wolf
Wie ein roter Faden erstreckt sich der Rote Weg der Via Alpina entlang dem Alpenkamm.
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Marina Wolf
Zur Unterstützung der nachhaltigen Entwicklung im Alpenraum wurde der grenzüberschreitende Wanderweg durch eine Verbindung des bestehenden Wegenetzes erschlossen.
Es ist ein Wechselbad der Gefühle: Betrübtheit und Wehmut. Denn: Ab jetzt geht es nur noch wenige Wochen gen Süden. Nicht mehr lange, und die Wanderzeit hat ein Ende. Dankbarkeit und Stolz. Denn: Jeden einzelnen Meter bisher habe ich mit meiner eigenen Willensstärke und meinen eigenen Füßen gemeistert. Eines ist ganz sicher: Noch nie habe ich Lebenszeit bereichernder genutzt als jetzt.
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Marina Wolf
Über den Wolken. Im Tal hängt fester Nebel.
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Marina Wolf
Ein Meer aus Alpenbaumwolle.
Via Alpina – der Rote Weg
Ein paar Wochen vorher, im Mai, laufen bereits die Vorbereitungen auf meine Tour. Im Sommer 2019 bestreite ich meine Wanderung auf dem Roten Weg der Via Alpina – entlang der Route, die sich im wahrsten Sinne des Wortes wie ein roter Faden über den Alpenhauptkamm zieht.
Die Fakten
Die Via Alpina ist ein grenzüberschreitender Wanderweg durch die acht Alpenstaaten Slowenien, Italien, Österreich, Deutschland, Liechtenstein, die Schweiz, Frankreich und das Fürstentum Monaco. Auf fünf Routen mit insgesamt 342 Tagesetappen lässt sich das alpine Natur- und Kulturerbe entdecken. 1999 wurde die Via Alpina initiiert.
Wichtiges Ziel ist die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung im Alpenraum durch einen sanften Tourismus. Seit 2005 ist sie offizielles Umsetzungsprojekt der Alpenkonvention, jenes Abkommens, das 1991 zwischen allen Alpenstaaten geschlossen wurde, um den Natur- und Lebensraum der Alpen zu schützen. Dafür wurden keine neuen Wege angelegt, sondern das bestehende Wegenetz miteinander verbunden.
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Marina Wolf
Die Wanderung führt durch zahlreiche Naturschutzgebiete und Nationalparks.
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Marina Wolf
Steinmanderl am Aletschgletscher.
Vorbei an den spektakulärsten Gipfeln und Bergkulissen
Ich habe mich dafür entschieden, dem Roten Weg mit seinen 161 Etappen zu folgen. Er führt von Muggia – oder in meinem Fall von Triest – nach Monaco. Von der Adria bis an die Côte d‘Azur durchstreife ich unterschiedlichste Gebirgslandschaften und Kulturräume, überquere mehrmals den Alpenhauptkamm und wandere durch eine Vielzahl von Nationalparks und Schutzgebieten.
Die spektakulärsten Gipfel und Bergkulissen liegen direkt auf meinem Weg: Triglav, Drei Zinnen, Hochfeiler, Zugspitze, Silvretta, Bernina, Aletschgletscher, Mont Blanc und einige mehr. Der Weg wird mich aber auch durch abgelegene Täler und Dörfer der Julischen und Karnischen Alpen, des Tessins und der Westalpen führen.
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Marina Wolf
Es warten ständig neue atemberaubende Ausblicke. Eines der Higlights: Alpenglühen am Zwölferkofel.
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Marina Wolf
Die drei Zinnen in Südtirol.
2.500 Kilometer zu Fuß
Die Strecke von über 2.500 Kilometer legte ich ausnahmslos zu Fuß zurück und folgte dabei den online zur Verfügung stehenden Navigationsdaten, die ich als Download auf die Navigations-App Komoot geladen hatte. Die auf der Via-Alpina-Webseite dargestellten Tagesetappen weichen von meinen etwas ab, da ich des Öfteren mehrere Etappen zusammengelegt bzw. die Wegführung leicht abgewandelt habe.
Meine Erlebnisse auf der Via Alpina habe ich in einem Buch verpackt. Es stellt keinen Reiseführer, sondern einen persönlichen Reisebericht dar, kombiniert mit Informationen zu den einzelnen Etappen, Unterkünften und praktischen Hinweisen. Die Navigationsdaten meiner Tagesetappen auf Komoot habe ich auf den jeweiligen Seiten im Buch verlinkt.
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Marina Wolf
Auf dem Weg zum Wolayersee führt der Weg durch den Schnee.
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Marina Wolf
Dichter Nebel zwischen den Berggipfeln.
Lasst Euch inspirieren!
Ich hoffe, bergbegeisterte Abenteuersucher, Ruhe-, Natur- und Freiheitsliebende, mit meiner Geschichte inspirieren zu können und vielleicht planst Du ja auch bald Dein eigenes Abenteuer mit Hilfe meiner Lektüre. Meinen kompletten Reisebericht mit Etappendetails und GPX-Tracks habe ich online zur Verfügung gestellt.
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Marina Wolf
Blick auf die drei Zinnen.
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Marina Wolf
Träumst Du noch oder planst du schon?
Die Tour im Überblick
- Startpunkt: Triest
- Ziel: Monaco
- Anreise: Mit dem Zug oder Fernbus nach Triest
- Routenverlauf: Auf der Roten Via Alpina durch 8 Länder: Italien, Slowenien, Österreich, Deutschland, Liechtenstein, Schweiz, Frankreich, Monaco
- Schwierigkeitsgrad: hauptsächlich gut begehbare Wanderroute, für die keine spezielle Ausrüstung erforderlich ist. Schwindelfreiheit und Trittsicherheit sind für die Tour jedoch unbedingt notwendig.
- Höhen- und Tiefenmeter: 142.000 Meter
- Länge des Weitwanderwegs: 2.540 Kilometer
- Dauer: 120 Tage (offizielle Etappen laut via-alpina.org: 161 Tage)
- Hütte/Einkehr: Hütten und Unterkünfte sind auf der Route reichlich vorhanden.
- Beste Reisezeit: Juni bis Oktober
- Ausrüstung: Packliste Trekking. Eine detaillierte Auflistung meiner persönlichen Ausrüstung findet Ihr in meinem oben verlinkten Reisebericht auf Seite 165.