Skischuhe sind ja immer so eine Sache: Entweder sie sitzen perfekt oder vielleicht nicht ganz so. Außerdem sollten sie noch alle Anforderungen erfüllen, die man als Skifahrerin bzw. Skifahrer eben an sie hat. Sei es in epischen Powdertagen beizustehen, auf der pickelharten Piste den optimalen Halt zu bieten oder sogar den nächsten Aufstieg gemeinsam zu meistern.
Der Salomon Shift Pro 130 ist so ein Kandidat. Und er wurde gleich von zwei Testern mit auf die Piste genommen. Ich durfte ihn im Lockdown-Winter 2020/21 mit auf Skitour ausführen und mein Kumpel Felix hat ihn sich in diesem Jahr im Skigebiet angezogen.
Lisa Amenda
Lisas Test des Salomon Shift Pro 130 Freerideschuhs
Die Skischuh-Frage
Es gab Jahre in denen ich panische Angst vor dem nächsten Skischuhkauf hatte. Wenn man einmal den richtigen Schuh gefunden hat, will man das ganze Prozedere mit Auswahl im Geschäft, Anprobieren, zuhause eintragen, anpassen lassen evtl. sogar Innenschuh schäumen, nicht direkt wieder auf sich nehmen. Doch irgendwann kommt der Punkt, da sind die Schuhe durch. Da hat der Innenschuh seinen Zweite-Haut-Sitz verloren, da steigst Du ein und es ist so naja. Dann muss man sich das eingestehen und sich auf die Suche nach einem neuen Skischuh machen.
Nach jahrelangen einzwängen in Rennschuhe, oh ja, die wo man nur reinkommt, wenn man den Innenschuh rausnimmt den man vorher angewärmt hat, habe ich mich vor ein paar Jahren entschlossen den Skischuh meinem Fahrstil anzupassen. Geworden ist es deshalb ein Freerideschuh. Genauer gesagt ein Tecnica Cochise 130.
Meine Anforderungen an einen Skischuh
Ein Freerideschuh ist für mich die perfekte Symbiose aus Passform und Einsatzzweck. Denn mir kommt kein labbriger Tourenskischuh an den Fuß. Bei mir muss der Schuh sitzen, Du erinnerst Dich, Rennschuh. Da darf es kein Rutschen und kein Schlackern geben. Der Schuh ist meine Verbindung zum Ski und da will ich keine Kompromisse. Die Kraftübertragung soll so direkt wie nur irgend möglich sein, denn für mich kommt es beim Skifahren vor allem auf eins an: die Abfahrt, ganz klar.
Lisa Amenda
Da aber immer mehr meiner Freunde auch gerne mal Touren gehen und ich es mag mir hin und wieder meine Line abseits des Skigebiets zu suchen, ist auch eine Gehfunktion in einem Skischuh unerlässlich. Denn zwei Paar Skischuhe will ich eigentlich nicht. Du weißt ja, die Sache mit dem Anprobieren, Aussuchen etc. Also ist es ein Freerideschuh geworden und damit bin ich die letzten Jahre mehr als zufrieden. Ich habe den nötigen Komfort im Aufstieg und vor allem den kompromisslosen Halt in der Abfahrt. Da es aber wieder an der Zeit war und der Innenschuh meines Tecnica schon die besten Jahre hinter sich hat und auch die Passform langsam ausgelatschter wird, habe ich mich umso mehr gefreut, als ich die Möglichkeit bekommen habe, den neuen Shift Pro von Salomon zu testen. Bzw. ich hätte ihn testen können. Wäre da nicht Corona. Und wäre da nicht der mangelnde Schnee. Deswegen stehe ich jetzt also mit meinem neuen Freerideschuh in meinem Wohnzimmer. Jeans hochgekrempelt, Skisocken an. Dann eben so.
Der Shift Pro 130 im Überblick
Die Shift Kollektion ist der neueste Zugang der Salomon Familie. Und ja, eine gewisse Shift gibt es ja aus dem Hause Salomon schon. Und genau da gehört der Shift Pro dazu.
Lisa Amenda
Lisa Amenda
Laut Salomon ist er “für Skifahrer, die am liebsten mit vollem Tempo durch unberührten Pulverschnee brettern, aber gerne auch mal ab und zu einen neuen Gipfel erwandern”. Alles klar, das klingt nach mir. Here I come. Um diesen Ansprüchen gerecht zu werden hat der Shift Pro, ähnlich wie andere Freerideboots dieser Zeit, vier Schnallen. So verspricht er die Stabilität und Kraftübertragung eines Alpinschuhs in der Kombination mit der Flexibilität eines Tourenschuhs. Dafür ist er mit dem Surelock-Mechanismus, einem Gehmodus mit 40° Bewegungswinkel ausgestattet.
Herzstück der Konstruktion ist der Salomon Coreframe, der bisher aus den Alpinschuhen bekannt war. Bei der Coreframe Konstruktion ist die Schale für mehr Leichtigkeit dünner gestaltet und bekommt die nötige Steifigkeit durch eine interne Rahmenverstärkung. Dieses Design sorgt für geringes Gewicht und laut Salomon für erhöhtes Fahrgefühl und mehr Power.
Ich teste den Schuh mit einem 130er Flex. Es gibt ihn in der Unisex-Variante auch mit 100 und 120er Flex. Zudem gibt es ein spezielles Damenmodell, das scheidet bei mir allerdings aufgrund einer niedrigeren Schafthöhe und meiner Körpergröße von 1,78m aus. Allen Schuhen gemein ist aber, dass sie eine Leistenbreite von 100 mm haben. Dazu kommt ein anatomisch geformter nahtloser Innenschuh und eine sogenannte SensiFit-Einlage, eine weiche PU-Einlage an der Außenseite der Schale, die ein leichteres Anziehen ermöglicht.
Die Schale ist außerdem durch den Custom Shell HD-Prozess innerhalb von nur zehn Minuten anpassbar. Zudem sollen die dünnere Schalenwand und die speziellen Schalenmaterialien den Fuß näher an die Schale bringen. Hinzu kommt, dass der Shift Pro so konstruiert ist, dass man relativ niedrig steht. Das soll eine noch direktere Kraftübertragung gewährleisten.
Lisa Amenda
Außerdem kommt der Schuh mit einer vormontierten Grip Walk Sohle und, für einen Freerideschuh mittlerweile selbstverständlich, Low Tech-Inserts, damit er direkt mit Pinbindungen gefahren werden kann.
Der erste Eindruck
So viel zur Theorie, aber wie macht sich der Schuh denn jetzt in der Praxis? Zuerst probiere ich den Boot zuhause an. So sitze ich also gerade hier an meinem Schreibtisch, an meinem linken Fuß den Shift Pro und an meinem rechten meinen bisherigen Tecnica Cochise. Beide in Größe 26,5 und auch die Sohlenlänge hat nur einen Unterschied von 1 mm (305mm beim Tecnica zu 306mm beim Salomon). Auf den ersten Blick kommt mir der Tecnica kompakter vor. Aber er hat auch eine 99er Leistenbreite und meine angepasste Sohle drin. Also Shift Pro wieder aus und Innensohle tauschen.
Lisa Amenda
Hier fällt mir auf jeden Fall schon einmal auf, dass das mit dem leichteren Anziehen durch die SensiFit-Konstruktion auf jeden Fall stimmt. Der Boot wurde mir mit einer zusätzlichen Einlage geliefert, ich packe die in den Innenschuh plus meine angepasste. Schuh wieder an. Und: Er sitzt bei mir leider immer noch nicht ganz so kompakt wie der Tecnica. Und meine Ferse hebt sich noch ein Stückchen. Das ist ja aber immer sehr subjektiv. Dafür drückt mein Tecnica am rechten Fuß schon wieder. Aber ich habe ja oben schon geschrieben, neue Skischuhe sind bei mir so eine Sache.
Lisa Amenda
Beim ersten Mal anziehen, sitzt der Shift Pro gut am Fuß. Wirklich toll finde ich den nahtlosen Innenschuh. Er sitzt total angenehm. Für meinen persönlichen Fersenhalt-Geschmack allerdings doch etwas zu angenehm. Hier habe ich beim ersten Reinschlüpfen nicht den Halt, den ich mir wünsche. Aber wie gesagt, das ist immer sehr individuell und ansonsten fühle ich mich zuhause im Wohnzimmer mit dem Boot mehr als wohl.
Und hinzu kommt: Ich finde, dass er mega aussieht. Ich stehe sowieso schon immer auf olivgrün und alles schlammfarbige. Deswegen passt der Shift Pro genau in mein Farbschema.
Lisa Amenda
Der Shift Pro 130 im Praxistest
Mittlerweile hat sich die Schneesituation ja etwas geändert und ich habe den Salomon Shift Pro jetzt schon auf einigen Skitouren mit dabei gehabt. Getestet habe ich ihn mit meinem Armada Tracer. Als Bindung ist die Shift MNC 13 montiert. Der Shift Pro sitzt immer noch sehr angenehm am Fuß. Wie schon beim ersten Anprobieren, ist mir das für meine Verhältnisse ein bisschen zu angenehm.
Lisa Amenda
Ich bin knallenge Rennschuhe gewöhnt oder bei Freerideschuhen zumindest einen 99er Leisten. Und ich hätte es nicht gedacht, aber mit seinem 100er Leisten kommt mir der Shift Pro da etwas weit vor. Das ist allerdings rein subjektiv. Wenn Dein Fuß eher für diese Leistenbreite gemacht ist, dann wirst Du mit dem Shift Pro garantiert jede Menge Spaß haben. Er hat eigentlich alles, was man als Freerider haben muss. Der Bewegungswinkel im Walkmechanismus reicht für meine Verhältnisse vollkommen aus und ich finde es charmant, dass hier eine andere Lösung für den Kipphebel gefunden wurde als zum Beispiel an anderen Modellen.
Lisa Amenda
Tatsächlich finde ich, dass man auch merkt, dass der Shift Pro so konstruiert ist, dass man einen niedrigeren Stand hat. Man ist einfach näher am Ski dran und somit ist auch die Kraftübertragung direkter. Da die Geschäfte immer noch nicht aufhaben, konnte ich allerdings den Innenschuh noch nicht anpassen lassen. Ich glaube, dass das den Shift Pro und mich noch einen Schritt näher zusammenbringen würde. So ist er mir vom Gefühl her leider einen Ticken zu weit. Aber da ich geschäumte Innenschuhe gewohnt bin, kann da Salomon nichts dafür. Und wie gesagt, Skischuhe sind immer sehr subjektiv.
Lisas Testfazit
Salomon weiß genau wie ein Freerideschuh aussehen und funktionieren muss. Und daran habe ich auch keinerlei Zweifel. Bisher bin ich noch nicht zu 100 Prozent davon überzeugt, dass meine Ferse und der Shift Pro zusammenpassen. Auch nach mehreren Touren leider nicht. Für die Zukunft würde ich mir von Salomon deshalb auch ein Modell mit einem schmäleren Leisten wünschen. Eine sportliche Passform ist für mich bei solch einem sportlichen Schuh essentiell. Für alle denen die 100er Leistenbreite perfekt passt: Holt euch den Salomon Shift Pro. In Verbindung mit der Salomon Shift Bindung eine unschlagbare Backcountry-Kombi.
Der Salomon Shift Pro Freeride Schuh aus der Perspektive von Felix
Ich muss zugeben, dass es mir ähnlich wie der Testerin Lisa geht und ich nicht alle ein bis zwei Jahre einen neuen Skischuh inkl. dem gesamten Bootfitting Prozedere kaufen möchte. Zum einen bin ich sehr froh wenn ich DEN Skischuh gefunden habe, der mehr oder minder angenehm an meine mehr oder minder problematischen Füße passt und mir den optimalen Halt und Kontrolle gibt (wahrscheinlich behaupten 90% der Skifahrer, dass sie problematische Füße haben, an die einfach kein Schuh perfekt passt).
Moritz Zimmermann
Zum anderen bin ich weit entfernt von mehr als 100 Skitagen in einer Saison, bei welchen es sehr empfehlenswert wäre alle ein bis zwei Jahre einen neuen Skischuh zu kaufen. Daher war ich gespannt wie es sich nach mehreren Jahren Dalbello-Erfahrung (Dalbello Krytpn Il Moro und Lupo) mit einer anderen Marke am Fuß anfühlt
Der Shift Pro auf dem Papier aus meiner Perspektive
Mir ist der Fersenhalt enorm wichtig, weshalb ich auch ein großer Fan der Dalbello Dynalink Fersenhaltung bei insgesamt nur drei Schnallen bin. Der Salomon Shift Pro hat vier Aluminiumschnallen und der als etwas locker empfundene Fersenhalt wurde von Lisa bereits angemerkt. Mal sehen wie es sich bei mir anfühlt. Die Leiste (Schuhbreite) ist mit 100 mm um 2 mm breiter als mein Dalbello und wird von Salomon als Mittel angegeben. Beide Schuhe haben einen Flex von 130. Die Coreframe Baukonstruktion soll zu einem tieferen Stand im Schuh führen. Ich fahre gerne mit geringer Standhöhe, da ich so eine bessere Verbindung zum Ski erziele, näher am Schnee bin und sich dadurch die Kontrolle und Stabilität besser anfühlt.
Lisa Amenda
Der Weg zur Gondel
Beim Anziehen des Schuhs fällt mir sofort der unglaublich leichte und weiche Einstieg auf. Das nennt sich im Hause Salomon SensiFit. Finde ich super. Der Innenschuh fühlt sich auch weich wie ein Hausschuh an, gibt mir aber dennoch das Gefühl einen guten Halt zu haben. Ob der Stoff des Innenschuhs auch nach 100+ Skitagen immer noch so flauschig ist? Ebenfalls ist man tatsächlich überraschend tief im Schuh und somit auch in der Bindung und daher sehr nah am Ski. Für einen Tag ohne Aufstiege muss es also nicht zwangsläufig die Look Pivot Bindung sein, um einen tiefen Stand auf dem Ski zu erzielen. Der Wechsel zwischen Abfahrts- und Gehmodus funktioniert sehr leicht. Das kenne ich von meinem eigenen Schuh leider etwas hakeliger. Auffallend ist auch das sehr geringe Gewicht, welches mit 1,67 kg angegeben wird. Von daher also auf jeden Fall geeignet für den Aufstieg.
Lisa Amenda
Der Test im Skigebiet
Ich bin den Salomon Shift Pro zusammen mit der S/LAB Shift MNC 13 Bindung und dem Salomon QST 98 gefahren. Das Fersenheben, wie es Lisa in Ihrem Test beschrieben hat, nehme ich auch wahr, muss aber sagen, dass es mir beim Fahren weniger Probleme bereitet. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich durch das insgesamt weichere Gefühl am Fuß (u.a. durch den angenehm weichen Innenschuh und den weiten 100er Leisten) keinen einbetonierten Sitz erwarten würde und ich versuche meine Stellung im Schuh darauf einzustellen.
Vielleicht schafft das Anpassen des Innenschuhs hier Abhilfe. Generell ist ein 130er Flex schon eine Ansage und bei den meisten Herstellern der härteste Flex im Sortiment bei dieser Skischuhkategorie. Da muss ich sagen, dass sich der Salomon insgesamt doch einen Ticken weicher fährt. Ich kann nicht exakt feststellen woran es genau liegt und denke für mich, dass die „eierlegende Wollmilchsau als Skischuh“ wie in Lisas Untertitel gefragt eben technisch vielleicht doch nicht umsetzbar ist.
Wie schon in meinem Test mit dem Salomon QST 98 beschrieben, ist schnelleres Tempo auf und abseits der Pisten kein Problem. Ich bin mir aber nicht sicher wie sich der Schuh verhält wenn es bei hohem Tempo mal härter zu Sache geht und ich die maximale Kontrolle beim Freeriden brauche.
Moritz Zimmermann
Felix Testfazit
Es ist ein Traum in den Salomon Shift Pro Freeride einzusteigen. Ebenfalls sitzt er super bequem bei gleichzeitig guter Kontrolle. Die Leistenbreite von 100 mm bietet viel Platz, jedoch fühlt sich der gesamte Schuh etwas weicher an als mein Vergleichsschuh bei gleichem Flex von 130. Vielleicht sind hier der Leichtbauweise dann doch technische Grenzen gesetzt, weshalb es extra dafür gefertigte rein abfahrtsorientierte Schuhe gibt, die aber eben auch meist schwerer sind. Der niedrige Stand bringt mir persönlich nur Vorteile und ich wünsche mir, dass viel mehr Skischuhe in Zukunft auf diese Bauweise setzen.