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Ein Wetterkrimi am Klausenpass

Schächentaler Höhenweg über dem Vierwaldstättersee

6 Minuten Lesezeit
Der Schächentaler Höhenweg gilt als einer der schönsten der Schweiz. Die Route war geplant, die Ausrüstung gepackt und die Tour in vollem Gange. Doch es kam anders. Marco Peter erzählt von einer aussichtsreichen Wanderung mit Überraschungen.

Das Wetter ist wechelhaft, als wir per Schiff über den Urnersee, einen Teil des Vierwaldstättersees, anreisen. Mich als Fotografen freut das außerordentlich und ich hoffe auf spektakuläres Licht und epische Landschaftsbilder. Wir, meine Partnerin Barbara und ich, haben uns den Schächentaler Höhenweg in zwei Etappen eingeteilt:

  • Am Samstagnachmittag wollen wir von der Bergstation Eggberge bis zum Berggasthaus Biel wandern; von dort geht es am Samstagabend auf den Chinzig-Kulm und wieder zurück und
  • am Sonntag schliesslich bis zur Klausenpasshöhe

Von der Bergstation Eggberge bis zum Berggasthaus Biel

Samstagnachmittag: Wir geniessen die Ruhe – denn wir sind alleine auf dem Höhenweg. Bis auf 1.500 Meter hat uns die Luftseilbahn Flüelen-Eggberge hinaufgetragen. Sonne und Wolken wechseln sich ab, während wir gemütlich, aber zügig durch die tiefgrünen Wälder und über saftige Wiesen schreiten und sich über uns die Felsformationen in die Höhe stemmen.

Gut gelaunt kommen wir am Berggasthaus Biel nach etwas über drei Stunden und acht Kilometern Gehstrecke an. Am Abend zuvor zündete am Himmel über der Zentralschweiz bei Sonnenuntergang ein gewaltiges Lichtfeuerwerk. Ich hoffe darauf, dass sich auch heute wieder so eine Show abspielen wird. Wenn es soweit ist, will ich mit meinem Kameraequipment oben auf dem Chinzig-Kulm bereitstehen, weitere 400 Höhenmeter und eineinhalb Stunden Marsch über dem Berggasthaus.

Abendrot-Poker auf dem Chinzig-Kulm

Das Nachtessen auf dem Berggasthof Biel ist überaus lecker. Gestärkt nehmen wir die Abendtour auf den Chinzig-Kulm (2.073 m) in Angriff. Während wir auf dem Wanderweg unterwegs sind, reisst die Wolkendecke immer mehr auf. Je höher wir steigen, umso spektakulärer wird die Aussicht über die Urner Alpen.

Steil zieht sich der kleine Pfad entlang des Geröllhanges empor und ein kalter, kräftiger Wind streicht über den Grat, als wir oben ankommen. Für einen Moment will mich ein Gefühl der Enttäuschung übermannen – schwer und grau hängt eine dicke Wolkendecke über den Gipfeln. Mir wird klar: Das wird wohl nichts mit dem Lichtfeuerwerk.

Abgesehen vom Rauschen des Windes ist es still und auch die Schwaden schweben völlig lautlos an uns vorbei. Eine gespenstische Szene, die mich die Enttäuschung etwas vergessen lässt.

Das Berggasthaus Biel am Jakobsweg

Für einen Moment reißt die Wolkendecke auf und ein mächtiger Sonnenstrahl fällt auf den Urner Talboden. | Foto: Marco Peter
Für einen Moment reißt die Wolkendecke auf und ein mächtiger Sonnenstrahl fällt auf den Urner Talboden. | Foto: Marco Peter

Das Berggasthaus Biel haben wir als zentralen Punkt unserer Wanderung ausgesucht, da es sich ungefähr in der Mitte der 30 Streckenkilometer befindet. Die Doppelzimmer waren alle voll und wir erhielten ein Sechser-Lager zur Alleinbenutzung. Mit der Seilbahn kann man von Bürglen direkt zum Biel und dem Berggasthaus hochfahren. Von der Terrasse aus hat man eine sensationelle Aussicht. Kurz nach unserer Ankunft stehen wir draußen und unterhalten uns mit dem freundlichen Wirtsduo.

Vor neun Jahren haben Sie den Betrieb übernommen, der übrigens auch am Jakobsweg liegt. Die allermeisten Gäste stammen aus der Schweiz, Touristen aus dem Ausland beherbergen sie eher selten. Während wir sprechen, reisst die Wolkendecke über dem Tal für einen Moment auf und ein mächtiger Sonnenstrahl bricht durch.

Gemeinsam mit uns ist auch eine illustre Wandergruppe aus der Ostschweiz eingetroffen. Als wir später am Abend von unserer Chinzig-Tour zurückkehren, hat sich der Stimmungspegel deutlich gehoben. Die Ostschweizer sind bei bester Laune; wahrscheinlich sind sie nach dem Nachtessen direkt sitzen geblieben und haben sich bei einigen Runden der Hausspezialität «Kafi Biel» amüsiert.

Sie halten sich nicht zurück mit witzeln und und lachen ausgelassen. Kurz vor dem Zapfenstreich sehen wir die Belegschaft des Gasthauses hinter der Bar mit Flaschen hantieren, kurz darauf machen sie die Runde unter den Gästen und verteilen den «Schlummi» – einen Gute-Nacht-Shot. Wir stoßen alle gemeinsam an und verziehen uns in die Betten.

Zum Abbruch gezwungen

Obwohl es kontinuierlich nieselt und wir nicht mal die gegenüberliegenden Hänge sehen können, entscheiden wir uns tags darauf, die verbleibenden gut 14 Kilometer des Schächentaler Höhenweges bis zum Klausenpass in Angriff zu nehmen.

Am Anfang geht das problemlos, doch leider nimmt der Regen stetig zu. Nach ungefähr eineinhalb Stunden sickert die Nässe durch die Regenjacken hinunter bis auf die Haut. Erst als wir uns vor einem Geröllfeld wiederfinden und weit und breit kein Pfad mehr zu sehen ist, merken wir, dass wir den Wanderweg schon eine Weile verloren haben müssen …

Abstieg nach Urigen

Wir balancieren über das Gestein, hinter dem Geröllfeld folgt ein Wald. Der Hang ist inzwischen so steil, dass wir nur noch langsam und mit großer Vorsicht vorankommen. Der Regen hat weiter zugelegt, wir sind völlig durchnässt und Hunger macht sich breit. Weil wir auf der Wander-App sehen, dass ein Pfad ganz in der Nähe sein muss, beschließen wir, uns weiter durchzukämpfen. Als Notfallplan behalten wir auch die Umkehr im Hinterkopf.

Tatsächlich finden wir am Ende des Waldes den Pfad wieder. Es gießt wie aus Kübeln und wir sind uns sofort einig, den Schächentaler Höhenweg zu verlassen und nach Urigen abzusteigen. Der Abstieg zieht sich in die Länge, die Nässe nagt an der Motivation und wir sind dankbar, als wir endlich das Hotel Posthaus Urigen erreichen.

Sehen wir es von der positiven Seite: Wir haben einen guten Grund, bei nächster Gelegenheit wieder ins Schächental zurückzukehren und auch die letzten Meter noch zu absolvieren – bei schönem Wetter.

Der Schächentaler Höhenweg mit Chinzig-Kulm

  • Anreise: Mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem Auto gut zu erreichen. Anreise per Schiff sehr zu empfehlen. Parkplätze bei der Talstation Eggberge in Flüelen. Vier Seilbahnen führen zum Höhenweg: Eggberge, Ruogig-Fleschsee, Biel-Kinzing und Ratzi
  • Start und Ziel: Eggberge, Klausenpass
  • Übernachtung: Berggasthaus Biel. Freundliche Bewirtung, gute Küche, gute Stimmung und faire Preise.
  • Tourdaten: Länge: 30,2 Kilometer, ca. 10 Stunden Gehzeit, 1.825 Meter aufwärts, 1.326 Meter abwärts
  • Schwierigkeitsgrad: Leicht, gute Fitness trotzdem von Vorteil.
  • Beste Jahreszeit: Ende Mai/Anfang Juni. Dann blüht die in der Region natürlich vorkommende Orchidee «gelber Frauenschuh». Die Pflanze steht in der Schweiz und Europa unter Schutz und ist in freier Natur nur noch schwer zu finden.
  • Literatur & Karte: Rother „Hüttentrekking Schweiz„, Swisstopo Klausenpass 246T

GPS-Track zum Schächentaler Höhenweg

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