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Raufußhühner schützen: Das solltest Du beim Wandern beachten

6 Minuten Lesezeit
Immer mehr Menschen gehen in die Berge. Die Zeiten, in denen Wildtiere Ruhe finden, nehmen ab. Besonders kritisch ist dies für Raufußhühner. Johannes Wessel erklärt, was Du tun kannst, um nicht unnötig in den Lebensraum von Auerhahn, Schneehuhn und Co. einzudringen.

In den Bergen finden wir Ruhe und Entspannung und die Möglichkeit, auf andere Gedanken zu kommen. Alleine sind wir dabei nicht. Um anderen Wanderern, Bikern und Kletterern einen Schritt voraus zu sein, stehen viele immer früher auf und auch sogenannte „Geheimtipps“ sind dank Internet meist keine mehr.

Ruhe und Abgeschiedenheit werden dadurch immer weniger. Mehr Menschen, die häufiger und länger in der Natur unterwegs sind, führen in der Tierwelt zu Problemen.

🌿10 Tipps für naturverträgliches Verhalten in den Bergen
  • Die wichtigste Regel: Sonnenaufgangszeit für Touren meiden
  • Nicht in den Dämmerungs- und Nachtstunden unterwegs sein
  • Kritischste Jahreszeit: April bis Juli (Balz und Brutzeit), im Winter
  • Touren immer mit Karten, die das DAV-Gütesiegel “Natürlich auf Tour!“ tragen, oder entsprechend ausgestatteten Onlinetools planen
  • Am Ausgangspunkt und im Gelände auf Hinweistafeln und Routenempfehlungen achten
  • Lärm vermeiden
  • Lebensräume erkennen: Wildtiere nur aus der Distanz beobachten, Futterstellen umgehen, Hunde anleinen
  • Auf üblichen Forst- und Wanderwegen bleiben, nicht querfeldein auf- und absteigen
  • Abstand zu Baum- und Strauchgruppen halten
  • Vegetation: Aufforstungen und Jungwald schonen

Unterwegs im Lebensraum der Raufußhähner

Vor allem für die Raufußhühner, dazu gehören Alpenschneehühner, Birkhühner, Auerhühner und Haselhühner, ist die Masse an Bergsportlern ein Problem.

Während das Birkhuhn in den höheren Lagen der Alpen rund um die Latschenzone zu Hause ist, findet das Auerhuhn als typisches Waldhuhn in den Voralpen mit Laub- und Nadelbäumen und Lichtungen einen idealen Lebensraum. Er bietet Nahrung (z.B. Beeren) und Schutz vor den natürlichen Feinden Steinadler und Fuchs.

Nicht nur – aber eben auch – durch die Zunahme an Menschen, die morgens immer früher ihren Lebensraum betreten und ihn abends immer später verlassen, sind die Raufußhühner massiv vom Aussterben bedroht.

Birkhühner (Birkhahn mit roten Rosen über den Augen) fühlen sich vor allem in höheren Lagen im Latschenholz wohl.

Florian Bossert | Gebietsbetreuer Mangfallgebirge

Birkhühner (Birkhahn mit roten Rosen über den Augen) fühlen sich vor allem in höheren Lagen im Latschenholz wohl.


Birkhühner (Birkhahn mit roten Rosen über den Augen) fühlen sich vor allem in höheren Lagen im Latschenholz wohl.

Florian Bossert | Gebietsbetreuer Mangfallgebirge

Ab Ende Mai legt das Birkhuhn sieben bis zehn Eier. Das Nest liegt versteckt im Unterholz.


Das ist nicht nur für sie, sondern auch für viele weitere Tiere ein Problem. Denn dort, wo Raufußhühner bevorzugt leben, leben auch viele andere Arten, die in Folge ebenfalls bedroht sind. Das wiederum führt zu erheblichen Veränderungen in unserer natürlichen Umgebung, die letztlich auch den Menschen betreffen.

Werden Wildtiere aus ihrem natürlichen Lebensraum vertrieben, gerät das Ökosystem ins Ungleichgewicht. Das passiert durch direkte Auswirkung (z.B. Verbissschäden) oder durch indirekte wie das Fehlen in der Nahrungskette (z.B. Birkhuhn für den Steinadler).

🐣 Raufußhühner sind gefährdete Arten

In Deutschland gibt es vier Arten von Raufußhühnern: Alpenschneehuhn, Auerhuhn, Birkhuhn und Haselhuhn. Die Hauptvorkommen dieser Arten liegen in montanen bis alpinen Lagen, das heißt in Gebieten, die zwischen 600 und 2.500 Meter Seehöhe.

Die Balz- und Vogelbrutzeiten beginnen im März oder April und dauern bis Mitte Juni an.

 BundesnaturschutzgesetzBundesjagdgesetzRote Liste BayernRote Liste Deutschland
AuerhuhnStreng geschütztGanzjährige SchonzeitKategorie 1, vom Aussterben bedrohtKategorie 1, vom Aussterben bedroht
AlpenschneehuhnBesonders geschütztGanzjährige SchonzeitKategorie R, extrem seltenKategorie R, extrem selten
BirkhuhnStreng geschütztGanzjährige SchonzeitKategorie 1, vom Aussterben bedrohtKategorie 1, vom Aussterben bedroht
HaselhuhnBesonders geschütztGanzjährige SchonzeitKategorie 3, gefährdetKategorie 2, stark gefährdet

Warum sind Schutzzonen notwendig?

Raufußhühner haben sich an die Jagdzeiten ihrer natürlichen Feinde angepasst. So jagt der Steinadler vom Vormittag bis in den späten Nachmittag. Deshalb sind die frühmorgendliche und abendliche Dämmerung die bevorzugten Zeiten für die Nahrungsaufnahme der Raufußhühner.

Werden sie da von Menschen gestört, ist es ihnen nicht möglich, ihre Energiespeicher ausreichend zu füllen. Das erschöpft die Tiere auf Dauer und verringert ihre Überlebenschancen.

Während der Balzzeit präsentiert sich der Auerhahn mit hochgerecktem Kopf und gefächtertem Schwanz. Dabei singt er die arttypische Balzarie.

Florian Bossert | Gebietsbetreuer Mangfallgebirge

Während der Balzzeit präsentiert sich der Auerhahn mit hochgerecktem Kopf und gefächtertem Schwanz. Dabei singt er die arttypische Balzarie.


Zudem ist die Nachwuchschance und -rate viel geringer, wenn statt Vitalität und Kräftemessen eher Überlebenskampf zum Start der Brutsaison den Tagesablauf bestimmt. Die Balz- und Vogelbrutzeiten beginnen im März oder April und dauern bis Mitte Juni an.

Unternehmungen zur Zeit des Sonnenaufgangs sind sehr kritisch für die Tiere.

Florian Bossert, Gebietsbetreuer für das Mangfallgebirge

Das Entscheidende: Während der Balzzeit sind die Weibchen nur etwa zwei Tage empfangsbereit. Balz und Befruchtung beginnen ungefähr zum Sonnenaufgang und dauern 1,5 bis 2 Stunden. Werden die Tiere dabei gestört, bekommen sie das ganze Jahr keinen Nachwuchs. Für eine vom Aussterben bedroht Art ist das eine Katastrophe.

Florian Bossert, Gebietsbetreuer für das Mangfallgebirge am Landratsamt Miesbach, und seine Kollegen und Kolleginnen bitten deshalb eindringlich darum, zu dieser Zeit nicht unterwegs zu sein.

Warum Biwakieren ein NoGo ist

„Dazu zählt natürlich auch Biwakieren“, so Bossert. Das ist dem Zelten mittlerweile rechtlich gleichgestellt und verboten. „An manchen Wochenenden im Frühsommer und Sommer haben wir an nur einem Gipfel schon bis zu 70 Biwakierende beobachtet. Viele wissen, dass es verboten ist, meinen aber, dass es nicht kontrolliert wird“, erläutert er.

Stell Dir vor, nachts laufen ständig Fremde durch Dein Schlafzimmer während Du Dich eigentlich um die Fortpflanzung kümmern solltest.

„Wenn wir die Menschen darauf ansprechen und ihnen erklären, warum das so problematisch ist, reagieren die meisten positiv, sind einsichtig und steigen dann ab“, so der Gebietsbetreuer weiter. Allerdings gebe es Wanderer, die trotzdem noch schnell auf den Gipfel gehen wollen, um den Sonnenaufgang zu genießen.

Aber genau das sei dann schon zu viel für die Tiere. „Wie würde es Ihnen gehen, wenn ständig, also auch nachts, fremde Besucher durch Ihr Schlafzimmer gingen – und das auch noch zu der Zeit im Jahr, in der Sie die Damen besonders beeindrucken wollen. Da klappt es dann einfach nicht mit dem Nachwuchs“, veranschaulicht Bossert.

Wir sprachen mit Daniela Feige, der Gebietsbetreuerin des Landratsamtes Garmisch-Patenkirchen...

Daniela Feige

Wir sprachen mit Daniela Feige, der Gebietsbetreuerin des Landratsamtes Garmisch-Patenkirchen…


Wir sprachen mit Daniela Feige, der Gebietsbetreuerin des Landratsamtes Garmisch-Patenkirchen...

Florian Bossert

…und Florian Bossert, dem Gebietsbetreuer des Mangfallgebirges am Landratsamt Miesbach.


Ähnliches beobachtet auch Daniela Feige, Gebietsbetreuerin vom Landratsamt Garmisch-Partenkirchen. Alte Pfade und Jägersteige würden wiederentdeckt oder es werde auch mal querfeldein gegangen.

Wildtiere sind an räumlich vorhersehbare Störungen am besten gewöhnt, daher ist es so wichtig auf den markierten Wegen zu bleiben.

Daniela Feige, Gebietsbetreuerin vom Landratsamt Garmisch-Partenkirchen

„Plötzliches, unvorhersehbares Zusammentreffen mit Menschen führt bei Wildtieren zu energieraubenden Fluchten“, erklärt Feige. Die Tiere würden zudem gezwungen, in Bereiche auszuweichen, die unter Umständen zur Nahrungsaufnahme weniger gut geeignet sind.

Auch sie beobachtet, dass immer mehr Bergsportler zunehmend auch in den Dämmerungs- und Nachtzeiten unterwegs sind. „Für Tiere, die wegen der Störungen tagsüber zur Nahrungsaufnahme auf die Nacht ausweichen, verringert sich nun auch noch die Zeit, die ihnen nachts zur Verfügung stände. Das Gleiche gilt natürlich für die ohnehin nachtaktiven Tieren, deren Sinnesorgane ganz und gar auf die nächtlichen Verhältnisse eingestellt sind.“

Sensibilisierung und Akzeptanz statt Verbote

Bossert und Feige ist bewusst, dass es die Menschen nach draußen und in die Bergwelt drängt. Sie setzen nicht auf Verbote, sondern auf Akzeptanz und freiwilligen Verzicht. Allen, die gerne einmal eine Nacht naturverträglich draußen verbringen wollen, macht Bossert etwas Hoffnung: „Angebote für legales Übernachten im Tal sind in Bearbeitung“.

Im Landkreis Miesbach traten im Frühjahr 2021 zwei hauptamtliche Ranger des Landratsamtes ihren Dienst an. Für den Landkreis Garmisch-Partenkirchen sind drei Ranger am Landratsamt im Einsatz. Die Ranger sollen vor Ort Besucher sensibilisieren, für naturverträgliches Verhalten werben und die Einhaltung der Schutzgebietsverordnungen kontrollieren.

„Wir wollen die Akzeptanz für naturverträgliches Verhalten steigern und dazu beitragen, dass wir alle wieder mehr Respekt vor der Natur mit seinen für uns manchmal unsichtbaren Geschöpfen bekommen – denn die Natur ist mehr als nur eine Kulisse für unsere sportlichen Ambitionen“, so Daniela Feige. Werden trotz freundlichem Aufklären die Regelungen nicht eingehalten, ist auch das Aussprechen von Geldstrafen möglich.

Wer beim Wandern auf den Wegen bleibt, nicht vor Sonnenaufgang startet und vor Anbruch der Dunkelheit zurück ist, leistet einen großen Beitrag für die Erhaltung der Tierwelt..

Bergzeit

Wer beim Wandern auf den Wegen bleibt, nicht vor Sonnenaufgang startet und vor Anbruch der Dunkelheit zurück ist, leistet einen großen Beitrag für die Erhaltung der Tierwelt..


Touren naturverträglich planen

Da Touren bekanntermaßen bei der Planung anfangen, kann man schon zu Hause dafür sorgen, dass man naturverträglich unterwegs ist. Hilfreich sind vor allem die Apps von alpenvereinaktiv.com und outdooractive.com. Hier sind Schutzzonen und Schongebiete eingetragen.

Für die Tourenplanung mit Karte rät Bossert zu den DAV-Karten mit dem DAV Gütesiegel „Natürlich auf Tour!“. Hier sind alle Wald-Wildschongebiete sowie die Wildschutzgebiete aufzeigt. Hierzu eignen sich beispielsweise die Alpenvereinskarten „BY-Bayerische Alpen“.

Auf der Seite des Deutschen Alpenvereins findet man eine alphabetisch sortierte Beschreibung der Touren in den Bayerischen Alpen. Hinweisschilder im Gelände sollen darauf hinweisen, dass der sensible Bereich erst nach 7 Uhr morgens betreten werden soll und vor 19 Uhr wieder verlassen werden sollte.

„Lassen Sie uns alle daran mitwirken, dass die Raufußhühner eine Chance haben zu überleben. Bitte gehen Sie aufmerksam und bewusst durch die Natur. Konsumieren Sie die Bergwelt nicht, sondern erleben Sie diese achtsam„, appelliert Bossert an uns alle. Wer auf dem Weg bleibt, seine Tour nicht vor Sonnenaufgang beginnt und vor Anbruch der Dunkelheit zurück ist, leistet hierzu einen großen Beitrag.

Quellen zu diesem Beitrag

Bayerisches Landesamt für Umwelt (LfU) und Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF), Raufußhühner Begreifen, Bestimmen, Bewahren, November 2019

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