Die Silvretta mit über 50 Dreitausendern erstreckt sich im Grenzgebiet zwischen Österreich (Tirol und Vorarlberg) und der Schweiz (Graubünden). Die österreichische Nordseite ist stark vergletschert und mit Alpenvereinshütten gut erschlossen. Im weniger frequentierten Schweizer Südteil erhebt sich der höchste Berg, der Piz Linard (3.410 m). Unsere fünftägige Skihochtour beginnt in Tschafein bei Galtür und führt über die Heidelberger, Jamtal, Wiesbadener und Silvrettahütte sowie diverse Gipfel, Gletscher und Scharten zum Endpunkt Bielerhöhe.
Skibesteigung Piz Buin und Dreiländerspitze
Der Ausblick von der Terrasse der Wiesbadener Hütte (2.443 m) auf den gewaltigen Gletscherbruch des Ochsentalgletschers flößt schon Respekt ein: ein zerklüftetes Labyrinth aus blau schimmernden Eistürmen. Dazwischen zeichnen sich breite Spalten unter der Schneedecke ab. Früh am Morgen suchen wir nach der besten Spur am westlichen Rand des Eisbruchs. Dabei sind wir in der Dreierseilschaft unterwegs. Also achten wir bei jeder Spitzkehre darauf, nicht mit den scharfen Skikanten auf das Seil zu treten.
Astrid Därr
In etwa 2.800 Metern Höhe ist ein weiter Kessel erreicht: Im Westen erheben sich das Silvrettahorn (3.244 m), das Egghorn (3.147 m) und das Signalhorn (3.210 m). Im Süden thront der beeindruckende Felsklotz des Piz Buin (3.312 m), der dritthöchste Berg der Silvretta und der höchste Vorarlbergs. Gerade streckt sich ein schmaler Wolkenstreifen vom Gipfel in den tiefblauen Himmel wie ein Wimpel, der unser Ziel markiert. Anschließend deponieren wir unsere Ski in der Buinlücke, dann geht es mit Steigeisen und Pickel bewaffnet durch den „Kamin“, eine vereiste Steilrinne, in Richtung Gipfel. Nach der Kletterei über den schwindelerregenden Felsgrat und der ebenso spektakulären Dreiländerspitze (3.197 m) am Tag zuvor, kann uns diese Passage jedoch nicht schrecken. Ganz oben werden wir mit einem atemberaubenden Weitblick über das weiße Gipfelmeer der Silvretta belohnt.
Astrid Därr
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Zwischen Tirol und Unterengadin
Über den Silvrettapass wechseln wir später auf die Schweizer Seite und fahren zur Silvrettahütte (2.341 m) ab, wo wir bei einem feinen Glas Wein anstoßen. Auf der SAC-Hütte mit insgesamt 57 Schlafplätzen ist es im Gegensatz zur Heidelberger, Jamtal und Wiesbadener Hütte recht heimelig. Auch kulinarisch ist hier mit regionalen Speisen vom Holzherd mehr geboten als in den österreichischen Hütten – allerdings zu Schweizer Preisen. Bei einer Skirunde durch die Silvretta erlebt man den Kontrast zwischen dem sonnigen Unterengadin und der eher schattigen Tiroler Nordseite. Mal gibt es gemütliches Schweizer Flair wie auf der Tuoi- oder Silvrettahütte, mal voll durchorganisierten Massenbetrieb wie auf der Jamtalhütte mit 180 Schlafplätzen. Für spartanische Bergsteiger steht mit der Klostertaler Umwelthütte sogar eine Selbstversorgerhütte zur Verfügung.
Astrid Därr
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Die Talzustiege – wie etwa der fast 10 Kilometer lange Aufstieg von Galtür zur Jamtalhütte – ziehen sich zwar ziemlich in die Länge, dafür locken oben wunderbare Abfahrtshänge und anspruchsvolle Gipfel. Hier ist eine sichere Aufstiegstechnik sowie etwas Klettererfahrung gefordert.
Nach täglich bis zu 1.500 Höhenmetern und einer abschließenden Skatingstrecke über den Silvretta-Stausee zur Bielerhöhe brennen uns am fünften Tag zwar ordentlich die Oberschenkel, aber es bleiben unvergessliche Erinnerungen an traumhafte Touren in Firn und Pulver.
Highlight: Skihochtour Dreiländerspitze (3.197 m)
Die Dreiländerspitze an der Grenze zwischen dem Kanton Graubünden, Vorarlberg und Tirol ist ein absolutes Highlight im Rahmen einer Skidurchquerung der Silvretta: grandiose Aussicht zum Piz Buin, spannende Kletterei über den exponierten Felsgrat (besonders im Übergang zwischen Vor- und Hauptgipfel) und eine Genussabfahrt über den Gletscher.
Astrid Därr
Ausgangs-/Endpunkt: Jamtalhütte (2.165 m)
Route: Jamtalhütte – Jamtalferner – Obere Ochsenscharte – Westgrat – Gipfel
Dauer / Distanz: 3,5 Std. und 6 km im Aufstieg
Höhenmeter: ca. 1.100 hm
Charakter: anspruchs- und eindrucksvolle Skihochtour mit Aufstieg über den Gletscher. Auf dem sehr ausgesetzten Felsgrat zum Gipfel ist absolute Schwindelfreiheit und sicheres Klettern mit Steigeisen an den Skischuhen gefordert.
Infos zur Silvretta-Skidurchquerung:
Gebiet: Silvretta, Tirol / Vorarlberg / Graubünden
Schwierigkeit: konditionell und technisch anspruchsvolle Skihochtour, Gletscher- und Klettererfahrung (und entsprechende Ausrüstung) notwendig, täglich 1.000 bis 1.500 Höhenmeter in Aufstieg und Abfahrt, bis zu 7 Std. Gehzeit
Infos zur Region: Silvretta Montafon
Route: Je nach alpiner Erfahrung, Lawinen- und Schneelage kann man sich selbst eine mehrtägige Runde in diesem hochalpinen Skitourenparadies zusammenstellen. Zum Beispiel:
Tag 1: Tschafein bei Galtür (1.529 m) – Laraintal – Ritzenjoch (2.686 m) – Heidelberger Hütte (2.264 m)
Tag 2: Heidelberger Hütte – Larainfernerspitze (3.009 m) – Schnapfenspitze (3.219 m) – Jamtalhütte (2.165 m)
Tag 3: Jamtalhütte – Dreiländerspitze (3.197 m) – Obere Ochsenscharte (2.970 m) – Wiesbadener Hütte (2.443 m)
Tag 4: Wiesbadener Hütte – Ochsentalgletscher – Piz Buin (3.312 m) – Fuorcla dal Cunfin (3.041 m) – Silvrettapass (2.991 m) – Silvrettagletscher – Silvrettahütte (2.341 m)
Tag 5: Silvrettahütte – Rote Furka (2.688 m) – Klostertal – Bielerhöhe (2.037 m)
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