Der Toni-Gaugg-Weg gehört zu den konditionell anspruchsvollsten Unternehmungen in der Umgebung des Karwendelhauses. Gleichzeitig bietet die Tour einen einzigartigen Einblick in die öde wie faszinierende Bergwelt des Hochkarwendel, wie man ihn auf klassischen Gipfeltouren nur schwer erhält. Der Steig führt vom Karwendelhaus über mehrere Jöcher und Kare zur privat geführten Pleisenhütte und erreicht an zwei Stellen rund 2.500 Meter.
Wer möchte, kann auf dem Steig zwei markante Karwendelgipfel relativ einfach „einsammeln“. Der Aufstieg auf die Kleine Seekarspitze sowie die Breitgrieskarspitze nimmt nur wenig zusätzliche Zeit in Anspruch. Sichere Wetterverhältnisse und eine entsprechende Schneelage – je weniger Schnee, desto einfacher – sind Voraussetzung für diese beeindruckende Durchquerung.
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Auf hohem Weg durch das Zentralkarwendel
Wie bei der Überschreitung der Ödkarspitzen startet man vom Karwendelhaus durch die Lawinenverbauungen und das untere Schlauchkar. Nach der Abzweigung zum Hochalmkreuz biegt man nach rechts auf den Brendelsteig ab und quert das gesamte Schlauchkar.
Dort, wo sich der Steig nach den ersten Seilversicherungen weiter den Nordwestrücken der Westlichen Ödkarspitze hinaufschlängelt (Hinweisschild), biegt man scharf nach rechts ab und steigt über Schrofen (Seilversicherungen) steil in das gewaltige Becken des Marxenkars ab. Spätestens ab hier gehört der Weg landschaftlich zu den schönsten (markierten) Bergfahrten, die trainierte Bergsteiger im Karwendel unternehmen können.
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Markante Karwendelgipfel unterwegs
Über Karwannen geht es hinauf in das Seekarl und über den Westrücken der Kleinen Seekarspitze (zweithöchster Punkt der Route) in die Breitgrieskarscharte, wo ein Notbiwak steht. Wer will, kann die Kleine (2.613 Meter, 20-30 Minuten ab Westrücken) oder sogar Große Seekarspitze (2.677 m, 1 Stunde ab Breitgrieskarscharte) mitnehmen. Der Aufstieg auf die Kleine Seekarspitze ist einfach, am Gipfelaufbau der großen Seekarspitze befindet sich eine etwas schwierigere Passage (kaum UIAA I).
Nach der Breitgrieskarscharte quert man die Ostflanke der Breitgrieskarspitze, ehe man über eine etwas brüchige Rinne den höchsten Punkt des Toni-Gaugg-Wegs erreicht. Hier kann über einen kurzen, einfachen Grat (leicht ausgesetzt, auch hier kaum UIAA I) in etwa zehn Minuten der Gipfel der 2.590 Meter hohen Breitgrieskarspitze erreicht werden. Ein breites Band und ein schrofiger Abstieg (Seilversicherungen) leiten schließlich in die öde Mondlandschaft des Hinterkars.
Siggi Gaugg und „seine“ Pleisenhütte
Nur schwer kann man sich beim Weiterweg Richtung Pleisenhütte von der Atmosphäre dieser großartigen Hochgebirgsszenerie trennen. Beim kurzen Gegenanstieg in Richtung Mitterkar heißt es in einer brösligen Rinne nochmal kurz beißen, ehe der Weg durch abwechslungsreiches Latschengelände zur 1.757 Meter hoch gelegenen Pleisenhütte führt. Der aussichtsreichen Bergunterkunft sollte man auf jeden Fall einen Besuch abstatten.
Hüttenwirt Siggi Gaugg entstammt einer alteingesessenen Scharnitzer Wirtsfamilie. Der Steig, den wir eben hinter uns gelassen haben, trägt den Namen seines Vaters (und Hüttenerbauers) Toni. Je nach Zeitvorrat verbringt man vor dem Abstieg nach Scharnitz eine Nacht auf der Pleisenhütte oder steigt sofort nach Scharnitz ab.
Alle Informationen zum Toni Gaugg-Weg
- Talort: Scharnitz (964 m)
- Höhenmeter: von Karwendelhaus bis Pleisenhütte ohne Zusatzgipfel ca. 1.280; mit Kleiner Seekarspitze und Breitgrieskarspitze ca. 250 mehr; von der Pleisenhütte nach Scharnitz ca. 800 Abstiegshöhenmeter (über den Karwendelsteg kleine Gegenanstiege)
- Zeit: ca. 7-8 Stunden (vom Karwendelhaus zur Pleisenhütte)
- Schwierigkeiten: seilversicherte Stellen (ohne Verwendung des Stahlseils maximal UIAA I), steile Schrofen und Schutt
- Unterkunft: auf der Route befinden sich, bis auf das erwähnte Notbiwak, KEINE Hütten!
- Karte: AV-Karte 5/2 Karwendel, Mitte oder BY 10 Karwendelgebirge Nordwest
- Hinweis 1: In der Breitgrieskarscharte (2.388 Meter) befindet sich ein Notbiwak, das jedoch nur in alpinen Notfälle aufgesucht werden sollte!
- Hinweis 2: Bei Nebel kann die Orientierung auf dem Toni-Gaugg-Weg aufgrund der mitunter sporadischen Markierungen schwierig werden. Es lohnt sich die Mitnahme einer trackingfähigen GPS-Uhr oder eines GPS-Geräts.
- Tipp: Wer nicht den kompletten Abstieg nach Scharnitz auf Fahrwegen zurücklegen möchte, kann über den „Karwendelsteg“, der die beeindruckende Klamm des Karwendelbachs auf hoher Brücke überspannt, den Fahrweg aus dem Karwendeltal erreichen. Über diesen erreicht man wiederum einen abwechslungsreichen Steig, der an der Bürzlkapelle (je nach Karte auch Pirzlkapelle) vorbei hinab nach Scharnitz führt.