Bouldern! Wo kommt das denn eigentlich plötzlich her? Dieser Sport hat in den letzten Jahren einen solchen Aufschwung erlebt, dass man sich fragen muss, wie es dazu kam.
Boulderwelt München Ost
Wo kommt der Boulderboom her?
Ich war im Jahr 2013 zum ersten Mal in einer Boulderhalle. Damals wohnte ich in Weimar und war an den Wochenenden regelmäßig im Berliner Stadtteil Pankow zu Besuch. Etwa zeitgleich hatten in Pankow und Weimar Boulderhallen aufgemacht und meine persönliche Geschichte mit dem Bouldern begann.
Ich erinnere mich, dass mir in der Folgezeit immer bewusster wurde, dass ich gerade einen wachsenden Sport entdecke. 2013 musste ich noch allen erklären, was Bouldern ist. Inzwischen kommt das weniger vor. Wieso ploppten mit einem Mal in allen deutschen Städten Boulderhallen aus dem Boden?
Seit wann bouldern Menschen?
Juliane Fritz
Bouldern ist laut Definition: Klettern ohne Seil auf Absprunghöhe. Diese Form des Kletterns gibt es seit Menschengedenken. Aber seit wann sagt man dazu „bouldern”? Das Wort „bouldern” kommt vom englischen „boulder”, was soviel heißt wie Felsbrocken. Der Ursprung des Boulderns liegt also im Beklettern von kleinen Felsbrocken.
Als Wiege dessen, was wir Bouldern nennen, gelten die USA und Frankreich. Um 1900 sollen im französischen Bouldergebiet Fontainebleau die ersten Boulderer unterwegs gewesen sein. Dieses Gebiet, in einem Wald südlich von Paris, ist noch heute ein Mekka der Boulderszene. In der Boulderhistorie wird auch der amerikanische Turner John Gill genannt, oft mit dem Zusatz „Vater des modernen Boulderns”. In den 1950er Jahren hat er an Felsblöcken in den USA einen neuen, dynamischen Kletterstil entwickelt, der typisch ist für das Bouldern, wie wir es heute kennen. Bouldern ist also schon viel älter, als man denkt!
Auch in Deutschland gibt es einen wichtigen Wegbereiter für den Bouldersport: Wolfgang Fietz, genannt „Flipper Fietz”. Ein Kletterer aus dem Frankenjura, der in den 1970ern in der dortigen Klettercommunity mit seiner Boulder-Leidenschaft als komischer Kauz galt. Hannes Huch, einer der Chronisten der Kletterszene im Frankenjura, erklärte mir, dass Fietz damals prophezeite:
„Irgendwann werden mehr Leute zum Bouldern gehen als zum Seilklettern!“ Man hat damals zu ihm gesagt: „Du hast echt n Rad ab, das wird niemals passieren!“ Ich würde aber sagen, dass die Prophezeiung von Flipper Fietz mittlerweile längst Realität geworden ist.
Für viele KletterInnen war das Bouldern anfänglich keine eigenständige Disziplin im Klettersport, sondern lediglich eine Trainingsmöglichkeit fürs Felsklettern. Die damaligen Boulderrouten waren eher etwas für erfahrene, starke KletterInnen. Es ging darum, besonders schwere Züge an Felsblöcken zu definieren und zu üben.
Vom Outdoor-Sport zu den Boulderhallen
Das Bouldern war in Deutschland also schon in den 70ern ein Thema, jedoch weit davon entfernt, eine boomende Sportart zu sein. Der Boom ist vor allem durch die einfache Zugänglichkeit zu dem Sport durch die Boulderhallen zu erklären. Die ersten Boulderhallen gab es in Deutschland aber erst in den Jahren 2003/2004. Die Frage ist also: Wie kam der Sport vom Fels in die Halle?
Der Indoor-Sport entwickelte sich in den 80er Jahren aus einer gewissen Notwendigkeit heraus. 1985 fand zum Beispiel der erste internationale Kletter-Wettkampf im Valle Stretta, Italien statt. Damals noch am natürlichen Fels. Bald wurde jedoch klar, dass solche großen Events in der Natur eher Schaden anrichten. Es zeigte sich, dass künstliche Kletterwände nötig sind. Der erste künstliche Klettergriff wurde 1985 von dem französischen Kletterer François Savigny geformt.
Im Jahr 1992 wurde die erste Kletterhalle in Deutschland eingeweiht, das Bergsteigerhaus der DAV-Sektion Berchtesgaden. In einzelnen Kletterhallen gab es manchmal kleine Boulderbereiche, das Bouldern war zumindest dort schon integriert. Interessant ist, dass der Deutsche Alpenverein bereits 1999 den ersten Deutschen Bouldercup veranstaltete. Also noch bevor es „reine” Boulderhallen gab. Diese Wettkampf-Reihe wurde an einem mobilen Kletterturm ausgetragen, mit dem man von Stadt zu Stadt zog.
Die Geschichte der Boulderhallen
Ein Satz, den ich von Boulderhallen-Besitzern oft gehört habe, geht ungefähr so: „Ich bin eigentlich Seilkletterer und wollte eine Kletterhalle aufmachen. Aber es ist aufwändiger, eine Kletterhalle zu betreiben. Außerdem ist es ziemlich schwer, eine Halle in der richtigen Größe zu finden, also wurde es eine Boulderhalle.” Manch erste Boulderhalle war also eher eine verhinderte Kletterhalle. Aber es gab natürlich auch Menschen, die das Potential im Kraxeln an den „kleinen Wänden” sahen. Bestimmt kannten sie die kleinen Boulder-Bereiche aus den schon bestehenden Kletterhallen und dachten: Da geht noch mehr!
Übrigens, die Boulderwände in den ersten Kletterhallen waren oft sogenannte Spraywalls oder Definierwände. Das heißt, die Wände waren über und über voll mit verschiedensten Griffen und man konnte sich selbst eine Route definieren. Auch hier ging es mehr um das Training schwerer Züge, ähnlich wie draußen am Fels. Aus dem Grund gab es in diesen Hallen keine RoutenschrauberInnen, die regelmäßig den Boulderbereich mit vordefinierten Boulderrrouten ausstatteten.
Die allerersten Hallen
Die wahrscheinlich erste kommerzielle, reine Boulderhalle Deutschlands ist die Bouldercity in Dresden. Sie eröffnete Ende 2003. Kurz danach, Anfang 2004, machte die Citymonkey Boulderhalle in Essen auf. Auch das Escaladrome in Hannover, eröffnet 2005, zählt zu den ersten Hallen Deutschlands. Warum es eigentlich erst so spät losging mit den Boulderhallen, das hatte sich auch Mike Schuh, Gründer des Citymonkey Essen gefragt! Er erzählte mir, wie stark damals die Kletter-Community beim Bau seiner Halle mitgefiebert hatte:
„Ich habe ein Foto-Tagebuch von den Bauarbeiten gemacht und jeden Tag nach 10 Stunden auf der Baustelle diese Fotos dann ins Netz gestellt. Das war der Wahnsinn! Jedes Mal 30 Kommentare: ‘Sieht super aus! Können wir da jetzt nicht noch nen Überhang haben?‘ Bei der Eröffnung waren auch wahnsinnig viele Leute, die dann regelmäßig gekommen sind.”
Bergzeit
Der Erfolg des Boulderns
Der Erfolg der ersten Hallen spornte natürlich Nachahmer an und ab 2010 kam alles ins Rollen. Damals eröffnete die Boulderwelt München Ost, im Jahr darauf das Café Kraft Nürnberg. Zwei sehr erfolgreiche Hallen, deren moderner und offener Stil viele neue Hallen inspiriert hatte. Welche Aspekte spielen in den Erfolg mit hinein?
Ein paar Schuhe, Chalk und los geht’s
Es ist schlicht leichter mit dem Bouldern zu beginnen als mit dem Klettern. Man braucht weniger Equipment, es ist weniger teuer und ein Anfängerkurs ist beim Bouldern nicht zwingend notwendig. Eventuell hält die Höhenangst manche davon ab zu klettern und sie finden über das Bouldern den Weg zum Klettersport. Es spielt auch eine Rolle, dass man zum Seilklettern fast immer einen Kletterpartner braucht, während man zum Bouldern gerne auch allein in die Halle gehen kann.
Bouldern auch für AnfängerInnen
Aber das Wichtigste ist: Die Boulderhallen haben das Bouldern schlicht leichter zugänglich gemacht. Das Bouldern am Fels war, wie bereits beschrieben, eher eine Spezial-Disziplin für Menschen, die schon sehr stark kletterten und schwierige Züge üben wollten. In den modernen Boulderhallen öffnete man sich auch den AnfängerInnen, indem man für sie leichte Routen schraubte.
Weitere Gründe für den Boulderboom kann wahrscheinlich jeder Boulderer und jede Boulderin nennen, denn jeder und jede verliebt sich aus ganz persönlichen Gründen in diesen Sport. Inzwischen spielt sogar die mediale Aufmerksamkeit eine Rolle, wenn TV-Formate wie „Ninja Warrior” zeigen, was für faszinierende Fähigkeiten Boulderinnen und Boulderer haben!
Wie lange geht dieser Boom noch?
Wann ist dieser Boom wieder vorbei, fragen sich schon einige. Noch nicht, denn auch im Corona-Krisenjahr eröffnen weiterhin Menschen Boulderhallen, die wieder neue Leute in den Sport ziehen werden. Sehr treffend fand ich diesbezüglich auch, was Markus Grünebach von den Boulderwelten mir zur Frage sagte, warum Bouldern so erfolgreich ist:
„Die Problematik war in der Vergangenheit immer, dass der Alpinismus ganz wenigen vorbehalten war. Der Klettersport ist dann in die Hallen gewandert und dort hat sich mit dem Bouldern etwas abgekapselt, was eigentlich was ganz Natürliches ist. Jedes Kind, das anfängt zu laufen, bouldert erstmal. Es bouldert die Stühle hoch, es bouldert in irgendwelche Schubladen rein. Es ist toll anzuschauen, wie die eigentlich bouldern wollen. Nur wird das in der Gesellschaft nicht vorangetrieben. Ich würde sagen, dass Bouldern deshalb so erfolgreich ist, weil es eine Sportart ist, die den ganzen Körper trainiert. Aber das hat sich erst in den letzten Jahren herausgestellt, weil es erst seitdem die Möglichkeit überhaupt gibt.”
Bouldern ist deshalb so erfolgreich, weil es eine Sportart ist, die den ganzen Körper trainiert.
Markus Grünebach, Gründer der Boulderwelten
Als Macherin des Boulder-Podcastes BIN WEG BOULDERN bekomme ich viel Feedback von Menschen aus der Boulderszene. Häufig auch von Menschen, die neu sind in diesem Sport. An ihnen merke ich, wie schnell man vom Bouldervirus infiziert werden kann. Die Begeisterung ist so stark, dass Menschen, die gerade mal 1 oder 2 Monate bouldern, schon alle meine Podcastfolgen gehört haben! Was ziemlich erstaunlich ist, denn das sind inzwischen über 70 Folgen. Auch ich sehe deshalb noch sehr viel Entwicklungspotential im Bouldern. Da draußen sind immer noch sehr viele Menschen, die einfach noch nicht wissen, dass Bouldern genau ihr Ding ist!
Auch Du möchtest das Bouldern unbedingt einmal ausprobieren oder bist bereits vom ‚Bouldervirus‘ infiziert? Dann hinterlass uns doch einen Kommentar und schreib uns, was Dir am Bouldern am meisten Spaß macht!