Eine bekannte Via Verde, eine stillgelegte Bahntrasse, erstreckt sich durch die Pyrenäen. Die Ruta de Ferro i Carbó, die Eisen-Kohle-Route, folgt dem Verlauf der Schienen, auf denen die Züge bis 1967 Eisenerz und Kohle aus den Minen von Ogassa nach Ripoll transportierten. Nach der Schließung der Minen begann man in den 90er Jahren die stillgelegte Strecke zu einer grünen Rad- und Wanderroute umzugestalten.
Nicole Biarnés
Nicole Biarnés
Monestir de Ripoll – die Wiege Kataloniens
Nur wenige Minuten Fußweg vom Monestir de Ripoll entfernt, dem im 9. Jahrhundert gegründeten Kloster, das als Wiege Kataloniens gilt, liegt ein Fahrradverleih am Ufer des Ter. Der Fahrradverleih und das dazugehörige Restaurant sind Teil des sozialen Projekts CAT Can Guetes. Es gibt Menschen mit Behinderungen Arbeitsplätze und unterstützt die lokale Wirtschaft der Region.
Dort mieten wir uns zwei Räder, um am Fluss entlang zu einem zehn Kilometer entfernten Wasserfall zu radeln. Zwischendrin wollen wir dem Kloster im Nachbarort Sant Joan de les Abadesses einen Besuch abstatten.
Nicole Biarnés
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Zunächst führt der Weg parallel zum Ter an der Landstraße entlang, bis wir zu einer fröhlich bemalten Unterführung gelangen. Ein blauer Himmel, Bäume, bunte Blumen und Schmetterlinge verschönern die Betonwand. Auf der anderen Seite verläuft der Radweg neben einem Wanderweg, den viele Leute für einen kleinen Waldspaziergang nutzen. In einem der hohen Bäume entdecken wir farbenfrohe Vogelkästen, kurz bevor wir zu einem ehemaligen Bahnhofshäuschen gelangen, das verwildert am Wegesrand liegt.
Die Strecke ist fast gerade und hat nur eine geringe Steigung von 1-3%.
Nach nur fünf Kilometern tauchen auf unserer rechten Seite Tennisplätze auf, hinter denen sich ein kleiner Stausee und eine Station zur Vogelbeobachtung befinden soll. Doch wir radeln weiter, denn wir wollen uns das Kloster mit dem schönen Kreuzgang im Nachbarort ansehen. Schon bald geht der Weg erneut unter einer Brücke hindurch und führt uns links der Landstraße durch grüne Felder und Wiesen. Am Rande des Fahrradwegs, der nur leicht bergan geht, kommen wir an einem leer stehenden Bauernhof vorbei.
Nicole Biarnés
Man merkt erst, dass wir auf einem erhöht liegenden Bahndamm unterwegs sind, als die Landschaft rechts und links des Weges ein paar Meter unter uns zu versinken scheint. Für die Aussicht ist das natürlich genial.
Kurz bevor wir Sant Joan de les Abadesses erreichen geht es über eine breite Brücke. In liebevoll angelegten Gemüsegärten wachsen Kürbisse. Dann kommen auch schon die ersten Häuser von Sant Joan de les Abadesses in Sicht.
Sant Joan de les Abadesses
Die Via Verde verläuft oberhalb des eigentlichen Ortes. Um den ehemaligen Bahnhof herum ist ein kleiner Park entstanden. In einem der alten Gebäude ist heute eine Jugendherberge untergebracht. Von hier führte die Bahnlinie hinauf zu den Minen von Ogassa.
Der Weg dorthin ist allerdings nicht mehr eben, sondern recht steil (Sant Joan de les Abadesses liegt auf 775 m, Ogassa auf 975 m) und das Minenmuseum ist heute leider geschlossen. Stattdessen fahren wir hinab ins Dorf, überqueren auf der wunderschönen alten Brücke den Ter und gönnen uns in dem Café neben dem alten Kloster von Sant Joan de les Abadesses eine kleine Pause.
Nicole Biarnés
Das im 9. Jahrhundert gegründete Kloster und die Kirche bergen viele spannende Geschichten. Gegründet wurde es von Wilfred dem Haarigen, dem ersten Grafen von Barcelona, der die Abtei seiner Tochter Emma vermachte. Die erst 14-jährige entpuppte sich schon bald als verantwortungsbewußte und sehr umsichtige Äbtissin. Unter ihrer Leitung gediehen die Ländereien prächtig und das Kloster brachte es zu einem gewissen Wohlstand.
El Gorg embruixat de Malatosca
Nach einem kurzen Abstecher in die mittelalterliche Geschichte und ein paar Tapas erklimmen wir wieder den Hügel am Ortsrand. Vor der Herberge der Ruta del Ferro fahren wir auf dem Radweg nach rechts weiter und erreichen nach wenigen hundert Metern eine Kreuzung. Dort lassen wir die Räder stehen und folgen einem Trampelpfad hinab zum Gorg de Malatosca.
Umgeben von grünen Bäumen und Sträuchern erreichen wir einen wunderschönen Wasserfall. Das Wasser plätschert fröhlich und ist angenehm frisch.
Dieser Gorg liegt so ruhig und versteckt im Wald, dass die Leute sich früher Geschichten von Fabelwesen und Hexen erzählten. Wie zum Beispiel die der Hexe, die einer Hebamme Linsen zum Dank für ihre Hilfe gegeben haben soll. Verärgert über diese Art der Bezahlung habe die Hebamme die Hülsenfrüchte in den Ter geworfen. Noch ärgerlicher war jedoch die Tatsache, dass sich am Tage darauf ein paar Linsen, die an ihrer Schürze hängen geblieben waren, in Goldstücke verwandelt hatten.
Nicole Biarnés
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Vom Gorg de Malatosca aus treten wir den Rückweg nach Ripoll an. Die elf Kilometer lange Strecke geht nun stets leicht bergab, sodass wir in einer Dreiviertelstunde zurück am Can Guetes sind. Gerade rechtzeitig zum Mittagessen.
- Fahrzeit/Höhenunterschied: 18 Kilometer, ca. 1,5 Stunden / 200 hm. Leichte Fahrradtour für alle Fitnesslevel auf überwiegend befestigten Wegen.
- Streckenverlauf: Ripoll – Pont Vell – Sant Joan de les Abadesses – Colònia Llaudet – Pont de Perella – Ripoll
- Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln: Mit den Rodalies Zügen der Linie R3 kommt man von Barcelona bis Ripoll.
Praktische Infos
Die Strecke ist einfach zu fahren und genial für Familien mit kleinen Kindern oder Menschen, die mit dem Handbike unterwegs sind. Alternativ könnte man die Via Verde bis Sant Pau de Segúries weiterfahren. Von dort ist es nicht weit zu zwei anderen Vies Verdes, Carrilet I und II, die in Olot starten und über Girona bis nach Sant Feliu de Guíxols führen, wo der Radweg das Meer erreicht.
- Outdoorsport in Katalonien: Ein Überblick
- Informationen zu den Vies Verdes
- Informationen zur Fahrradvermietung mit CAT Can Guestes
Das Monestir Sant Joan de les Abadesses gehört wie das Monestir Ripoll zu den ältesten Klöstern Kataloniens, beide stammen aus dem 9. Jahrhundert und haben spannende Geschichten zu erzählen.
Die Kohleminen von Ogassa wurden zwischen dem späten 18. Jahrhundert und 1967 ausgebeutet. Ihre Existenz trug maßgeblich zum Fortschritt der Stadt bei und war ein Schlüsselelement, da die Eisenbahn nach Ripollès kam, um das Material schnell nach Barcelona zu transportieren.
Beste Reisezeit für Radtouren in den Pyrenäen
Die beste Reisezeit für Radtouren im Ripollès ist zwischen Mai und Oktober, im März kann es noch durchaus frisch und sehr windig sein. In den Pyrenäen können aber zu jeder Jahreszeit, auch im Sommer, unerwartet rasch Gewitterwolken aufziehen und für kurze aber heftige Schauer sorgen.
Nicole Biarnés